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Glasnost und Perestroika in den Medien / im Alltag der DDR

Hallo,
ich hoffe, ich hab das hier in das richtige Forum eingestellt.
Mich würde interessieren, ob und wie Glasnost und Perestroika in der Berichterstattung der DDR-Medien oder etwa politischen Schulungen eine Rolle spielten. Veränderte sich die Darstellung der Sowjetunion? Wenn ja, inwiefern? Was für Erfahrungen konnten die Bürger der DDR in den anderen sozialistischen Staaten diesbezüglich machen?
Mir ist bekannt, dass z.B. die sowjetische Zeitschrift Sputnik verboten worden ist. Mit welcher Begründung?
Vielleicht könnte ja der eine oder andere seine Erfahrung/seinen Umgang damit oder eventuelle ideologische Diskrepanzen beschreiben.
Gruß Marienborn89

Ich war schon vor dem großen Run auf den Sputnik Leser dieser Zeitschrift. Auch hatte ich die Zeitschrift Polen abonniert.Die wurde dann nach Ausrufung des Ausnahmezustands nicht mehr geliefert.
Diese Zeitschrift sowie auch der Sputnik waren gedacht im Westen Werbung für die jeweiligen Länder zu machen.Konnte man schön an der Reklame für die schicken Ladas usw. sehen, waren sehr hochwertig gefertigt und wurden wohl in Finnland gedruckt.Waren aber vor 1989 eher Ladenhüter in den Kiosken der DDR.
1989 hatte ich dann immer öfter Probleme den Sputnik zu bekommen und wollte ihn abonnieren. Da erhielt ich vom Zeitungsvertrieb die Auskunft das ginge aus Kapzitätsgründen nicht. Von Meinungsverschiedenheiten der Genossen war da offiziel noch nicht die Rede.
Ein Verbot in dem Sinne gab es wohl nicht sondern er wurde einfach nicht mehr vertrieben.In anderenSprachen (Englisch bzw. Französisch) gab es den wohl noch eine Weile.

Hallo Marienborn89,
Kurz zusammengefasst:
Glasnost und Perestroika haben dazu geführt, dass sich Ende der 80er Jahre auch innerhalb der SED-Basis zwei Lager herausgebildet haben:
Die Fundamentalisten, Hardliner, die mit dem alten Politbüro auf einer Linie waren:
"Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf" - Zitat E.Honecker
und das Lager derer, die für Erneuerungen, Reformen, Tranparenz in Sinne Gorbatschows eintraten.
Es führte im Herbst 89 letztlich zur "Zerreissprobe" innerhalb der Partei.
Mit der Entmachtung Hoeckers hatte es den Anschein, dass die "Reformer" die Oberhand in der Partei gewinnen werden - es war jedoch zu spät für Reformen, die SED hatte ihren Führungsanspruch beim Volk verspielt.
Der "Sputnik" war so etwa ab Sommer 89 ? einfach nicht mehr "verfügbar" - eine Notbremse der Hardliner.
Hat ihnen jedoch nichts mehr genutzt..
Meine persönliche Geschichte dazu: Ich bin am 3.Oktober 1989 aus der SED ausgetreten.
Honecker war noch Generalsekretär, er hatte soeben die Schliessung der Grenze zur CSSR verfügt.
Auf seine Weisung hin sind die Sonderzüge, die die DDR-Bürger aus der Prager BRD-Botschaft in die Bundesrepublik ausweisen sollten, über Dresden umgeleitet worden - um "Macht" zu demonstrieren. Das führte zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen am Abend des 3.Oktober 1989 um den Dresdner Hauptbahnhof (ich wohnte damals in Dresden).
Gewalt, Krieg, gegen das eigene Volk - diese Politik der SED-Führung war nicht mehr meine Vorstellung von Sozialismus.
Den Schritt habe ich nie bereut - die kommenden Monate waren nur noch ein hilfloser Rückzug der SED-Führung aus der politischen Landschaft.
Gruss Hartmut

Im Neuen Deutschland erschien jedenfalls diese kurze Mitteilung:
Mitteilung der Pressestelle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen
Berlin (ADN). Wie die Pressestelle des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen mitteilt, ist die Zeitschrift "Sputnik" von der Postzeitungsliste gestrichen worden. Sie bringt keinen Beitrag, der der Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft dient, statt dessen verzerrende Beiträge zur Geschichte.
Quelle: Neues Deutschland, 20./21.11.1988 (http://www.chronik-der-mauer.de/index.ph...d/593858/page/6)

Genau alles ein Jahr früher wie gedacht. 1988
Besonders interessant wurde der Sputnik zu Beginn , wimre wegen der vom DDR Ton abweichenden selbstkritischen Geschichtsschreibung speziell der Stalinzeit in der SU.
Genau das hat wohl auch das Mißfallen der Genossen in der DDR erzeugt.
Edit: blau

"Das Interesse am Sputnik nimmt in der DDR immer mehr zu – und zwar in dem Maße, in dem die Beiträge systemkritischer werden. Die DDR-Führung tut sich zunächst schwer, gegen die Zeitschrift aus dem großen Bruderland vorzugehen. Als aber in der Ausgabe von November 1988 ein Artikel über den in der DDR-Geschichtsschreibung geleugneten Hitler-Stalin-Pakt sowie eine Kritik an der stalinhörigen KPD der 1920er Jahre erscheint, entschließen sich die SED-Funktionäre zum Handeln. Ein weiterer Vertrieb der Zeitschrift wird in der DDR untersagt. Das Heft wird eingezogen und eingestampft. Zur offiziellen Begründung heißt es, dass die Zeitschrift „keinen Beitrag bringt, der der Festigung der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft dient, stattdessen verzerrende Beiträge zur Geschichte“."
http://www.jugendopposition.de/index.php?id=195
LG von der grenzgaengerin

Hier noch einige Ereignisse , die die DDR - Führung im Sommer 1988 beunuhigte. Inwieweit in dn Medien der DDR darüber berichtet wurde entzieht sich meiner Kenntnis.
"9. Juni: Die westdeutsche Tageszeitung "Die Welt" veröffentlicht Äußerungen des sowjetischen Außenpolitik-Experten Wjatscheslaw Daschitschew. Dieser habe vor deutschen Journalisten in der sowjetischen Botschaft in Bonn Mauer und Stacheldraht an den Grenzen der DDR als "Überreste und Überlieferungen des Kalten Krieges", die "mit der Zeit verschwinden müssten", bezeichnet.
Gegenüber dem sowjetischen Botschafter in der DDR, Wjatscheslaw Kotschemassow, verurteilt ZK-Sekretär Hermann Axen die Äußerungen Daschitschews. Diese würden sich "unmittelbar gegen die Souveränität und Sicherheitsinteressen der DDR, gegen die Sicherheitsinteressen der Warschauer Vertragsstaaten, gegen unser gemeinsames politisches Verteidigungsbündnis richten". Solche Äußerungen seien "Wasser auf die Mühlen der imperialistischen Propaganda". Kotschemassow bezeichnet die Äußerungen Jewtuschenkos als "verantwortungslos". Gorbatschow, versucht er Axen zu beschwichtigen, habe doch kürzlich klar gesagt, dass die Frage der Grenze eine souveräne Angelegenheit der DDR sei und diese allein zu entscheiden habe, "wie sie ihre Grenzen sichert".
7. Juli: Auf der 44. Jahrestagung der RGW-Staaten in Prag werden die vom sowjetischen Partei- und Staatschef Gorbatschow eingeleiteten Reformen diskutiert. Gorbatschows Vorschlag einer Intensivierung der Beziehungen zur EG werden mit Ausnahme der DDR und Rumänien von allen Staaten begrüßt. "
Nachzulesen in Chronik der Mauer 1988 http://www.chronik-der-mauer.de/index.ph...etail/year/1988
Jetzt einfach mal das ND deneben legen.
LG von der grenzgaengerin

Zitat von grenzgaengerin im Beitrag #10
Jetzt einfach mal das ND deneben legen.
Ja, in dem Artikel "44. Ratstagung des RGW in Prag beendet. Neue Vereinbarungen zur Vertiefung der Integration" (ND, 8.7.88) findet sich in der Tat nichts dazu.
Bei der Recherche dazu habe auch folgenden interessanten Artikel entdeckt. Das ND berichtet über die Berichterstattung niederländischer Zeitungen über Honecker bezüglich seines Staatsbesuchs in den Niederlanden:
"Auf die Frage der Zeitung [Algemeen Dagblad, Anm. d. V.] „In der Sowjetunion vollziehen sich unter Parteiführer Gorbatschow viele große und kleine Veränderungen auf ökonomischem und politischem Gebiet. Wird die DDR dem Vorbild von .Glasnost' folgen?" antwortet der Staatsratsvorsitzende: - „Viele der Veränderungen in der Sowjetunion sind in der DDR bereits gang und gäbe. Wir benutzen voneinander die guten Dinge, ¦ wir lernen voneinander. Das ist bereits seit 1945 der Fall. Sie müssen das so sehen: Beide Länder haben ihre eigenen Rezepte, aber die übernehmen wir nicht so mir nichts dir nichts. Allerdines unterstützen wir die Sowjetunion bei der Realisierung ihrer Beschlüsse, die auch von großer internationaler Bedeutung sind." In der DDR werde bereits seit mehreren Jahrzehnten der Sozialismus unter den Augen der Welt und unter offenen Bedingungen aufgebaut." (ND, 3.6.87)

Als der Gorbatschow als Generalsekretär gewählt wurde, hätten ja die DDR "Journalisten" im schlimmsten Alptraum nicht erahnt welche Konsequenzen das haben sollte.
Also haben sie anfänglich die Auslassungen des großen Genalsekretärs im ND seitenlang gedruckt, so 86 konnte der intensive Leser da durchaus außergewöhnliches aus dem ND erfahren
Da brauchte es noch keinen Sputnik, die waren zu dem Zeitpunkt wohl noch vor jahrelanger Ergebenheit zu blöd um in diese Richtung an Zensur zu denken.
Das Zentralorgan selbst hat den Virus des Nachdenkens in die DDR importiert

Zitat von Grenzwolf62 im Beitrag #12
Als der Gorbatschow als Generalsekretär gewählt wurde, hätten ja die DDR "Journalisten" im schlimmsten Alptraum nicht erahnt welche Konsequenzen das haben sollte.
Also haben sie anfänglich die Auslassungen des großen Genalsekretärs im ND seitenlang gedruckt, so 86 konnte der intensive Leser da durchaus außergewöhnliches aus dem ND erfahren
Da brauchte es noch keinen Sputnik, die waren zu dem Zeitpunkt wohl noch vor jahrelanger Ergebenheit zu blöd um in diese Richtung an Zensur zu denken.
Das Zentralorgan selbst hat den Virus des Nachdenkens in die DDR importiert
Erinnere ich mich richtig, dass dieser Artikel aus dem ND mit der Rede von Gorbatschov zu seinem Amtsantritt nicht in den Bezirkszeitungen erschienen ist?

Diesen Text schrieb ich einmal in einem anderen Forum:
"Hallo zusammen und mal hin zu dieser damaligen sowjetischen Zeitschrift. Jahre vor 1989, vor dieser Wende war ich immer hinterher hinter dem kleinen Heft, hatte auch gute Beziehungen zur Zeitungstante am Kiosk und verschlang dessen Lesestoff.
Diese Offenheit in der Argumentation um Änderungen in der Gesellschaft, im Sozialismus, diese zum Teil schonungslosen Kritiken in den Beiträgen ließ mich irgendwie nicht los und ich dachte, warum bei denen, warum nicht bei uns?
Der dumme Zufall will es, Jahre nach der Jahrtausendwende kam ich in den Besitz fast derselben Hefte, die ich vor 89 gelesen habe und dachte...was für ein kleines Glück."
Also irgendwo sind die Dinger ausgelagert, ich müsste mal suchen. Das Heft wurde übrigens in 19 Ländern vertrieben so BRD mit DM 4,80/ Westberlin nur DM 3,80? Habe gerade eines vor mir liegen vom Februar 1990...dies könnte das Letzte in der DDR gewesen sein.
Lebensläufer

Zitat von Lebensläufer im Beitrag #14
Der dumme Zufall will es, Jahre nach der Jahrtausendwende kam ich in den Besitz fast derselben Hefte, die ich vor 89 gelesen habe und dachte...was für ein kleines Glück."
Ist denn auch die Ausgabe vom November 1988 dabei? Wenn ja, hast Du jetzt eine Lebens - ne Tagesaufgabe- ne auch nicht.

Im Internet wollen sie 8,90 € für die Ausgabe haben.

http://www.xpapers.de/zs_liste.php?titel=Sputnik
LG von der grenzgaengerin
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