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Kindheit im geteilten Berlin

Bin ein Grenzkind....stop.......Habe die Teilung hautnah erlebt.........stop.......nein,im Telegrammstil kann man darüber nicht berichten.
Zu meinen ersten prägenden Kindheitseindrücken im geteilten Berlin gehören Ruinen und Schuttberge,viele Uniformen,Lebertran und Carepakete.Das Umfeld bestand aus zahlreichen Witwen,Waisen und Kriegsversehrten.
Ich wohnte 10m von der Havel entfernt mit uneingeschränktem Blick auf das östliche Ufer.Drüben sind die Russen am Ufer.Sie entzünden abends Lagerfeuer und singen laut ihre kehligen,aber melodischen Lieder bis in die Nacht hinein.Je nachdem wie der Wind steht,singen sie mich in den Schlaf.Im Haus wohnt ein Havelfischer,mit dem darf ich manchmal mitfahren oder wenn er mit anderen Fischern die Netze flickt,den Gesprächen der Erwachsenen lauschen.Früh erfahre ich,dass man die Mitte des Flusses nicht mit dem Angelboot überfahren darf.Grenze.Verboten.Als Kind erstmal unverständlich.
Aus den Gesprächen der Fischer bekam ich mit,die Russen sind böse und schlecht.Manche Fischer waren im Krieg dort und waren in Gefangenschaft gewesen.Nun konnte ich auch verstehen warum täglich berittene Polizisten und Zöllner unsere schmale Strasse frequentierten.Angestrengt schauten sie mit Ferngläsern auf das östliche Ufer.Die Pferde kannten wir mit Namen,die Reiter auch.Manchmal durften wir mal ein Stück mit auf das Pferd und auch mal durch das Fernglas schauen.Wenn man uns zum Spass mal ein Tschako aufsetzte war die Freude gross.
Ab und an kam auch mal ein Jeep mit US-Soldaten an den Fluss.Die bauten dann Stative auf und fotografierten das östliche Ufer.Bei uns Kindern sprach sich das rum wie ein Lauffeuer und wir umringten den Jeep.Kaugummi und Schokolade kam dann von selbst.
Überhaupt,die US-Soldaten finanzierten unser Sonntagnachmittagskino.
Das kam so:
100m entfernt meiner elterlichen Wohnung war ein uriges Berliner Ausflugslokal mit riesiger Freifläche und Tanzbühne.Hier fielen im Sommer am WE immer die Besatzungstruppen ein.Die Toiletten dazu,Plumpsklo und Pinkelrinne,war ziemlich versteckt in einem entfernteren Häuschen untergebracht.Schwer zu finden.Die englische Frage nach dem Weg zur Toilette war einer meiner ersten Sätze die ich im englischen verstand.Der Weg von etwa 25m dorthin wurde für uns Kinder immer mit 50Pfg Trinkgeld belohnt .50Pfg.das war auch der Eintrittspreis für das Kino.
Das Verhältnis zu den "bösen"Russen entspannte sich bei uns auch bald.Nachdem wir bei unseren Fussballspielen häufiger mal einen der seltenen Lederfussbälle in die Havel schossen ergab sich eine andere Situation.Durch die Strömung trieb der Ball oft Richtung Mitte des Flusses und über die sog.Grenzlinie.Dann kraulten zwei,drei Soldaten der Roten Armee herbei und bugsierten den Ball, für uns erreichbar,auf die Westseite.Wenn ich dann mit dem Fischerboot auf der Havel dümpelte winkte man sich dann schon mal verstohlen zu.
Eine lustige Episode noch:
Einmal war der Fahrer eines Jeeps ein dunkelhäutiger Soldat.Er wollte mir ein Kaugummi geben und lachte dabei.Für mich,etwa 4 Jahre alt,war das der erste dunkelhäutige Mensch den ich live sah.Wie von der Tarantel gestochen lief ich schreiend nach Hause in die Arme meiner Mutter,die mich dann vor dem "Schwarzen Mann" beschützen musste.
Ende Teil 1
seaman

Wann war deine Erlebnisse so ungefähr? Noch vor dem Mauerbau?
http://www.flickr.com/photos/ciagov/8048135729/
Theo

Hallo Seaman,
hast Du in der Nähe von Nikolskoje gelebt? Ich versuche mir gerade ein Bild zu machen. Wenn Du im amerikanischen Sektor warst, kann es sich nur um den Havelbereich handeln, der Sacrow und Potsdam gegenüberliegt.
Da ich bis 1977 in Potsdam wohnte, konnte man im Bereich der Glienicker Brücke und im Schloßpark von Cecilienhof schön über die Mauer sehen, bis hin zum Schloß Pfaueninsel.
Die Alliierten waren bei uns sozusagen zu Hause, denn Potsdam war Sitz ihrer Militärverbindungsmissionen. Die Briten waren jeden Tag in der Stadt präsent, aber haben nicht gesungen, wie die Russen.
Ich finde es schön, daß Du schreibst, wie Du in Deiner Kindheit, auf der anderen Seite des Wassers lebend, gedacht hast.
Bin schon auf Teil 2 gespannt!
Gruß, Kurt

Meine Schulzeit begann Mitte der 50er Jahre in Berlin(West).
In den ersten 2 Schuljahren kamen die Amis noch in der grossen Pause und verabreichten die Schulspeisung an uns Kinder.
Der Preis betrug 25 Pfennig. Preisbeguenstigt. Erst gab es einen grossen Loeffel Lebertran,dann eine Kalk-bzw. Traubenzuckertablette.Wer das über sich ergehen liess bekam dann eine Frucht(Banane,Mandarine,Orange,Apfel) und einen Viertelliter Puddingsuppe,Kakao oder Griessbrei mit einem Loeffel Marmelade.Jeder hatte extra dafuer einen Emaillepott am Schulranzen baumeln.Nicht Alle nahmen an dieser Schulspeisung teil,auch aus finanziellen Gruenden.Dann gabs nur Lebertran und Traubenzucker als Pflichtprogramm.
Lebertran kannten wir als Kinder schon,denn der war auch in den Carepaketen meist Standard.Manchmal zahlten wir das Schulgeld,unbemerkt von den Eltern, nicht ein.Dafür kaufte man sich ein Micky-Maus-Heft, mit dem Stempel preisbegünstigte Ausgabe für die Freie Stadt Westberlin.
Suedfruechte gab es ausreichend zu kaufen,aber nicht jeder konnte es sich taeglich leisten und manche Familien hatten noch zu tun ihren Nachwuchs satt zu bekommen.So war das auch in der Schulklasse vom sozialen Gefaelle her bemerkbar und Pausenbrot wurde oft anderen Kindern zur Verfügung gestellt....
Manchmal waren aber Nahrungsengpaesse selbst verursacht.So gab es bei einem meiner Mitschueler und Geschwister fast ausschliesslich nur Makkaroni mit Tomatensauce zuhause zu Mittag.Der Vater hatte aber als erster aus der Umgebung eines der teuersten Autos seinerzeit vor der Tuer......
Eine meiner Tanten arbeitete bei der US-Kommandantur damals als Dolmetscherin,sie versorgte mich immer mit Apfelsinen.Später,als sie dann einen US-Offizier heiratete und in die USA verzog,versiegte meine Quelle.
Als mich 1956 mein Cousin(12 Jahre) aus der DDR/Landgegend besuchte,wusste er nicht wie eine Banane gegessen wird.
Er versteckte sie vor mir aus Scham darüber unter dem Kopfkissen.
seaman
Fortsetzung folgt!


Zitat von icke46 im Beitrag #8
Ein beliebter Fehler bei Preisangaben:
Ich nehme an, dass der Preis für die Schulspeisung entweder 0,25 DM oder 25 Pfennig waren - 0,25 Pfennig kann ich mir nicht vorstellen.
Obwohl: das war natürlich vor meiner Zeit, da Einschulung erst 1962.
Gruss
icke
Danke für den Hinweis-korrigiert.
seaman

Auf der anderen Seite des Havelufers,in Ostberlin,leben meine Verwandten.Gleichaltrige Cousins und Cousinen u.a..
Man tauscht sich aus,spielt zusammen und träumt bzw.spintisiert zusammen über die Zukunft.Steige einfach in die Strassenbahn,fahre zum Grenzübergang und gehe zu Fuss über die Sektorengrenze.Als ich kleiner war wurde ich dort von Verwandten noch in Empfang genommen.Rein in die nächste Bahn(BVG) und der Tag war für mich gelaufen.
Es war schon komisch,meine Schulzeit im Westteil der Stadt,aber auch Pioniernachmittage/Ferienspiele im Osten.
Als Kind unbewusst vergleichend zwischen den Systemen.Eine Pionierleiterin dieser 3.Oberschule geht später,1967,durch die Weltpresse-Tamara Bunke.Bewaffnet mit den DDR-Zeitschriften Frösi,Atze,Bummi und Trommel gehts dann wieder in den Westteil zurück.
An irgendeinem Morgen,ich glaube es war Wahlkampf,tauchten zum Schulbeginn vor meiner Westberliner Schule FDJler auf und verteilten Prospekte.Artig steckten wir diese in den Schulranzen.
Plötzlich wurde die erste Unterrichtsstunde unterbrochen. Der Schuldirektor unternahm mit dem Klassenlehrer eine Schultaschenkontrolle und klopfte unsere Körper ab.Alle Prospekte wurden konfiziert.
Alle,bis auf eins.Ein Mitschüler kam erst zur zweiten Stunde und hatte noch ein Prospekt ergattert.Was waren das für geheimnisvolle Hefte?
Nachmittags saßen wir mit dem Chef unserer Dreiradbande,der ging schon fünfte Klasse, dann in unser Erdhöhle und er musste vorlesen.
Was da gefährlich dran war hat sich seinerzeit noch nicht erschlossen.Es war aber irgendwie im Hinterkopf.
Aber ich hatte ja noch ein Trumpf im Ärmel : Opa.
Meine Sommerferien verlebte ich oft bei meinen Grosseltern in Mecklenburg.
Grossvater war Matrose/Heizer bei der kaiserlichen Marine,erlebte die Skagerrakschlacht,Teilnehmer der Novemberrevolution und ehemals politisch aktiv auf einem Schlachtkreuzer.
Hier hörte ich erstmals über die Ereignisse in Kiel, den Spartakusbund und die Namen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
Als Kind konnte man sich darunter noch nicht viel vorstellen.Später als ich schon Jugendlicher war ,berichtete er über seine Teilnahme am Kapp-Putsch,Namen wie Noske fallen und über die Reaktionäre wird gesprochen.Ich begann zu verstehen....
Die maritime Komponente von Grossvaters Erzählungen bestätigt meine beruflichen Vorstellungen,die ich seit dem sechsten Lebensjahr hege,die Seefahrt.
seaman

Hallo seaman sehr schöne Schilderung. Ich war Ende der 50 er Jahre mehrere Male zu Besuch in Berlin. Die Athmosphäre dieser Stadt , Westsektoren und sowj.Sektor, war irgendwie unnormal. Das spürte ich als Jugendlicher bereits
Thema Lebertran und Schulspeisung: ich kam 1950 in Thüringen zur Schule und wir bekamen da auch Schulspeisung und Lebertran. Ich habe mich aber so vor dem Tran geekelt, ich bekam ihn nicht runter, hatte große Schwierigkeiten. Ging dir das auch so ? Er war aber wichtig gegen Rachitis. Ich esse sehr gern Seefisch aber wenn ich ein Stück Fisch in den Mund bekomme, das tranig, schmeckt ist das Essen beendet. Das als Erinnerung an diese Zeit-
Bitte schreib weiter .

Zitat von damals wars im Beitrag #12Tolle Geschichte. Bei uns nannte man die Care-Pakete Stalinpakete.
Da kann Gert sicher erzählen!
Wann gab es denn diese Stalinpakete? Wer bekam sie und was war da drin?

LG von der grenzgaengerin

Gert,
jedes Kind bei uns ekelte sich vor Lebertran.
Ich habe heute noch den Tisch, mit diesem (mit Kindesblick) riesigen,silbrig-schimmernden Metallkanister vor Augen.
Dahinter 3-4 Uniformierte mit weissen Kittel,der Doktoreffekt,innere Ablehnung.
Dann hatte man den Löffel Tran noch nicht runtergewürgt,bekam man schon die überdimensionale Traubenzuckertablette in den Rachen geschoben.
Als wenn der Mund dicht zementiert wurde.....
Zum Glück habe ich keine Spätfolgen und ein Stück Lebensqualität blieb für mich erhalten:
Schönen fangfrischen Fisch noch zu geniessen....
seaman
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