Mini-DDR für Grenztruppen

08.07.2010 17:51
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Der Bruderkuss scheint noch zu schmecken. Treffen ehemaliger DDR-Grenztruppen und ihrer tschechischen Kollegen. Highlight: Die gegenseitige Ordenverleihung.

O-Ton: Ordensverleihung

"Deshalb hat der Nationalrat des Klubs der Tschechischen Grenzregion beschlossen als Würdigung Ihres Anteils an dieser Arbeit Ihnen diese Plakette zu übereichen."

O-Ton: ehemalige Grenzer

"Das ist für mich eine sehr hohe Ehre."
Reporter: "Warum?"
"Weil das ein Ausdruck dafür ist, dass unsere gemeinsame Zusammenarbeit von beiden Seiten anerkannt und weiter getragen wird. Das ist eine Verpflichtung für mich, in diesem Sinne weiter zu wirken."

Das vor 20 Jahren die Mauer gefallen ist, wird hier bestenfalls zur Kenntnis genommen. Einmal im Jahr kommt die Parallelgesellschaft bei ihrem Herbsttreffen zusammen. Referent dieses Mal: der Genosse Egon Krenz.

O-Ton: Egon Krenz

"Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag."

Demonstrative Gelassenheit. In diesem Saal wird Geschichte ganz eigen interpretiert.

"Ich habe den Frieden gesichert, den Frieden gesichert. Dafür war die Mauer unter anderem mit da. Wir haben keinen Schiessbefehl gehabt. Es gab eine Schusswaffengebrauchsbestimmung oder Anwendungsbestimmung, wie wir sie nennen wollen."

Gleich am Anfang wird dann auch geklärt, wer die eigentlichen Helden im Herbst '89 gewesen sind. Es darf gestaunt werden:

O-Ton: Egon Krenz

"Hier sitzen jene Persönlichkeiten, die am 9. November dafür gesorgt haben, dass aus einer Fehlinformation keine Katastrophe wird. Soll Deutschland wirklich vereint werden, dann muss auch die Diskriminierung der Grenztruppen und der anderen bewaffneten Organe der DDR aufhören. Sie waren es, liebe Freunde und Genossen, die dafür gesorgt haben, dass am 9. November 1989 Sekt fließen konnte und kein Blut floss."

Und weil Klassenkampf auch teuer ist, wird Geld gesammelt. Solidaritätsspende für die Opfer der angeblichen Siegerjustiz – natürlich in frei konvertierbarer Währung.

O-Ton: ehemaliger Grenzer

"Solidaritätsspende - Das kennen Sie wohl nicht das Wort?"
Reporter: "Doch das kenne ich. Aber können Sie mal sagen für wen?"
"Das ist für die Mitglieder die in Not geraten. Solidarität ist für Leute die in Not geraten. Man müsste eigentlich den Staatshaushalt der BRD einsammeln für die Leute die in Not geraten."

Und weggetreten. Oder wie sagte man damals? Am Ende kommen mehr als 1.300 Euro zusammen. Solibasar eingeschlossen.

O-Ton: Eberhardt Münch, damals im Ministerium für Nationale Verteidigung

"Das ist für die, die vors Gericht gekommen sind, die gelitten haben in der Zeit der Bundesrepublik."
Reporter: "Was heißt das konkret?"
"Viele sind verurteilt worden, die Gerichtskosten zu zahlen. Viele andere müssen über Jahrzehnte tausende Euro zahlen. Allen denen wollen wir Solidarität geben durch Wort und Tat. Und eben auch durch das Geld."
Reporter: "Für die Grenzer, die auch Menschenleben auf dem Gewissen haben?"
"Alle die entsprechend den Grenzschutzbestimmungen gehandelt haben."

Zur Erinnerung: Diese so harmlos wirkenden älteren Herrschaften waren die Stütze des Systems. Das verteidigen sie heute mit Zynismus.

O-Ton: Gitta Schimmel, Verwaltung der Grenztruppen

"Wir mussten nicht ausreisen. Das hätten wir nie gemacht. Und diejenigen, die meinten, sie müssen jetzt über die Mauer klettern, sie hätten hier auch leben können."
Reporter: "Was ist mit den Mauertoten – mit denen die erschossen wurden an der Mauer?"
"Das steht heute auch auf jeder Kaserne in Westdeutschland. Es wird von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Das war eben dort wie irgendeine Mauer an irgendeiner Kaserne."

Unter dem Schutz der freien Meinungsäußerung haben Krenz und Genossen sich gegenseitig ihre Welt verklärt. Gedächtnisverlust inklusive.

O-Ton: Egon Krenz, ehem. Vorsitzende des Staatsrates der DDR

Reporter: "Sind sie froh dass Sie heute Bücher publizieren können, Ihre Meinung kundtun können, dass solche Veranstaltungen möglich sind? Das wäre zu DDR-Zeiten nicht so möglich gewesen."
"Meine Bücher kann ich hier publizieren und verbreiten. Die Medien nehmen es nur zur Kenntnis, wenn sie eins draufsetzen können. Also so demokratisch geht das nun auch alles nicht zu. Aber ich bin natürlich froh, dass ich meine Sicht der Dinge ausdrücken kann. Natürlich."
Reporter: "Zu DDR-Zeiten wäre es ja nicht so ohne weiteres möglich gewesen, seine Meinung zu sagen?"
"Ich konnte meine Meinung in der DDR sagen."
Reporter: "Sie ja, aber für andere war das nicht so einfach."

Nach sieben Stunden packt die Mini-DDR wieder ein. Und das ist auch gut so.

Quelle:
http://www.mdr.de/exakt/6828827.html


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