In diesem Thread gab es ja schon drei Jahre keine Aktivitäten, das möchte ich heute ändern.
Ich hatte kürzlich einige Akten von der HA I in der Hand, in der Truppe auch bekannt als 2000er.
Konkret von der Abteilung Grenzkommando Nord, Unterabteilung Schönberg, Halberstadt usw.
Eigentlich ist das nicht mein Thema, aber ich habe mal quer gelesen.
Beeindruckend und erschreckend zugleich ist der Riesenaufwand, der da betrieben wurde, um Nichtigkeiten nachzugehen.
- Ein IM hat seinem Führungsoffizier über einen Kameraden berichtet, der bei irgend einer Gelegenheit dies oder das gesagt hat.
- Nach Einschäzung des Führungsoffiziers ist der Verdacht einer Fahnenfluchtabsicht begründet und ein OV wird angelegt mit Eröffnungsbericht.
- Für die weitere Bearbeitung wird ein Operativplan aufgestellt. Typische Maßnahmen, aufgrund von Dienstplänen, Ein-/Ausgangsbüchern usw. werden Zeit, Ort, Anlass, Beteiligte des Ereignisses recherchiert und dokumentiert, ein weiterer IM wird beauftragt, den verdächtigen Kameraden mit einer spezifizierten Aufgabenstellung zu bespitzeln und den Verdacht zu erhärten
- wenn der zweite IM ebenfalls Verdachtsmomente für eine negative Einstellung liefert, werden weitere IMs angesetzt und es kommt eine konspirative Duchsuchung von Spind und Zimmer in Betracht, Ziel ist die Sammlung von Beweismaterial für Par. 254 StGB (DDR). Auch das Wohnumfeld und die Familie können beleuchtet werden. Zwischenberichte werden gefertigt.
- das Procedere kann sich einige Monate hinziehen, der Betroffene bekommt davon nichts mit
- irgendwann kommt es zu einem Abschlussbericht, in dem die weiteren Maßnahmen festgelegt werden
- jeder Schritt war natürlich von der vorgesetzten Dienststelle zu bestätigen
Bei dem, was ich jetzt in der Hand hatte, führte das zu strafrechtlichen Belehrungen durch den Militärstaatsanwalt und ggf. anschlißender öffentlicher Auswertung und zu Versetzungen in rückwärtige Einheiten fern der Grenzlinie. Bei der Versetzung gab es noch die Variante, dafür Sorge zu tragen, dass der Betreffende keine Waffe in die Hand bekommen sollte. Die Einleitung eines Strafverfahrens kam nicht vor. Bei diesen nichtigen Anlässen wird das wahrscheinlich auch die Ausnahme gewesen sein.
Man kann also davon ausgehen, dass viele spontan erscheinende Maßnahmen eine lange verdeckte Vorgeschichte hatten und dass die IM-Dichte gross genug war, um auf jeden "Fall" mehrere IMs ansetzen zu können.
Gruss Wolfgang