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9.November 1989 auf See in der Lübecker-Bucht

Wir sind ausgelaufen zum normalen Grenzdienst auf See. Verantwortlich im Seegebiet der Lübecker-Bucht, bereits 8Tage im Einsatz. Alle innerpolitischen Ereignisse in der DDR habe ich mit meiner Besatzung zu dieser Zeit nur im Fernsehen mitbekommen. Am 09.11.89 war etwas besonderes in der AK zu sehen. Die Grenze ist geöffnet. An Bord meines Schiffes wahren damals 21 Matrosen und Unteroffizire und mit mir 5Offiziere. Als Kommandant des Schiffes habe ich nach der AK alle Offiziere in die Messe befohlen, um zu beraten was jetzt zu unternehmen ist. Als erstes wurde versucht einen Kontakt mit dem Kommandostützpunkt in Rostock aufzunehmen. Trotz aller Bemühungen, es gab keinen Kontakt mehr zum OP-Dienst der 6.Grenzbrigade-Küste! Zu dieser Zeit war es gerademal 21:00Uhr! Ausgestrahlte Bilder der AK haben gezeigt wie ein PERSO mit gültigen Stempel aussieht, der zur Ausreise berechtigt. Wie nun auf hoher See einen Ausweis kontrollieren? Ohne weitere Befehle zu erhalten (weil kein Funkkontakt -selbst zum Marinekommando der Volksmarine) habe ich einen Entschluß gefasst. Anker auf und Richtung Wismarer-Bucht mit langsamer Fahrt. Mir war klar, dass nicht nur in Berlin die Menschen mal eben mal"rüber" wollen, nein auch im Hafen Wimar und auch im Hafen von Poel, gab es viele "Hobbykapitäne". Also verbrachte ich die Nacht auf der Brücke meines Schiffes mit viel Kaffee und die Augen auf dem Radarbild. Natürlich hat in dieser Nacht die gesamte Besatung nicht geschlafen. Zur allgemeinen Sicherheit habe ich veranlaßt, die Munition vom Bordgeschütz abzuschlagen und unter Verschluss zu bringen. Alle Waffenträger an Bord haben ihre Waffen in der Waffenkammer eingelagert. Den Schlüssel zur Waffenkammer habe ich in meinen Kommandantensave gesichert. Eigentlich war mein letzter Befehl die Seegrenze der DDR zu sichern. Jeder Soldat weis, der letzte empfangene Befehl ist bindend. Damals war ich 28 Jahre alt, junger Kommandant mit enormer Verantwortung für Schiff und Besatzung.
Mit beginnendem Morgengrauen kam genau das, was ich erwartet habe. Auf dem Radarschirm eine vielzahl von kleinen Fahrzeugen mit Kurs Richtung West (Lübeck-Travemünde). Zu meinem Erstaunen hielten alle Fahrzeuge Kurs auf mein Schiff. Die Skipper der Boote nahmen an, dass mein Schiff eine Art Passkontrollstelle darstellt und machten einer nach dem anderen längseits fest, um ihren und deren Besatzungsmitglieder erworbenen Stempel im PERSO zu zeigen. Alle hatten kein nautisches Kartenmaterial zur Verfügung, fragten nach Kurs in Richtung Travemünde, und versprachen wir kommen alle zurück, wir wollen nur mal schauen wie es im Westen so ist.
Alleingelassen von "OBEN" entschloss ich mich zum Rückmarsch nach Rostock.
Kapitänleutnant a.D. Andreas Kruck

Ein interessanter Beitrag. Ich begrüße dich hier herzlich und nun gleich ein paar Fragen:
Was hast du nach 1993 gearbeitet?
(-bis 1993 als Kapitän beim BGS-See gefahren, Haupteinsatzgebiet Nordsee)
Hattet ihr einen Beamten-Status?
Warum wurdest du entlassen?
Vorerst genug, aber Neugierde belebt das Forum!
MfG
GKUS64

... ein sehr lesenwerter Beitrag! Ich möchte zum damaligen Zeitpunkt nicht in Deiner Haut gesteckt haben. In meinen
Augen hast Du in der Nacht auf See alles richtig gemacht.
Habe abends die Fernsehnachrichten mit Schabowskis Rede gesehen. Die Nacht habe ich noch recht recht gut geschlafen.
War natürlich nächsten Tag im Dienst Gesprächsthema Nr. 1. Nach und nach kam dann in mir die ganze Sache mit
der Grenzöffnung erst hoch.


Ein sehr gut geschriebener Bericht deinerseits, der auch zeigt, wie wichtig Eigenverantwortung ist.
Ein herzliches Willkommen von mir dann dich,
#5


Habe damals (9.November 89 +++) in Wimar gewohnt. Die meisten sind mit überfüllten Zügen oder halt privaten PKW Richtung Lübeck gefahren.
Das da auch welche mit ihren Booten unterwegs waren, höre ich zum ersten Mal. War das alles in der Nacht des 9.Nov., oder erst in den Folgetagen?
Logischerweise hat man das Visum ja erst in den nächsten Tagen erhalten, also gehe ich mal davon aus, dass am 9.November noch keiner über die Ostsee legal ausreisen wollte?
Wie waren denn überhaupt die "maritimen Bestimmungen" für Grenzüberschreiter zur See? Gab`s da irgendwas besonderes zu beachten für ungeübte DDR-Schiffer?
Ansonsten ein interessanter Bericht.

Hallo Kalle,
da ich keine Informationen über eventuelle Modalitäten zum Bekommen des Visa-Stempels hatte, war es mir egal, ob jemand den Stempel hatte oder nicht. Um eine Kontrolle durch zuführen, hätte ich das Kontrollkommando mit dem Motorboot aussetzen müssen. Eine Einsicht in den Perso vom Schiff aus war rein optisch nicht möglich (zu hoher Freibord des Schiffes). Bei ca.20 Fahrzeugen war der Einsatz des Kontrollkommandos sinnlos.
Auf der Ostsee gab es keinen Grenzverkehr von OST nach WEST. Das Einreisen von WEST nach OST natürlich auch nicht (Sportbootsverkehr). Eigner von Sportbooten der DDR hatten mit Sondergenehmigung (MfS) das Recht innerhalb der Bodden-Gewässer und unterhalb der Küste ihrem Hobby nach zugehen. Ansonsten war jeglicher Sportbootsverkehr innerhalb der Territorialgewässer (12sm-Zone) der DDR mit Befehl des Chefs der 6.GBK untersagt.

Hallo GKU S64,
im September 1993 habe ich mich selbstständig gemacht mit einer Textilreinigung in Wismar. 2010 verkauft, und zu den Wurzeln meiner heimatlichen Herkunft gegangen (Haus meiner Eltern).
Ich hatte beim BGS-See den Beamten-Status "auf Probe" mit dem Dienstgrad Polizeikommissar z.A.
Bei der jährlichen Seetauglichkeits-Untersuchung wurden bei mir gesundheitliche Probleme festgestellt. Auf einen Stuhl im Dienstzimmer hatte ich keinen Bock. Also habe ich gekündigt.
#8



Hallo Andi, sein gegrüßt ehemaliger Kollege.Ich war vom 01.08.61 bis Oktober 62 in Parow . Anschließend 4. Flotille Warnemünde,R-Abteilung und Stab danach bis 30.4.63 Stützpunkt der 4. Flottille Tarnewitz und ab 01.05.63 nach Übernahme des Stützpunktes durch die 6.GBK - Stab 4.GBK Tarnewitz bis 30.10.1967.Kenne den Bereich von KBS Barendorf bis Insel Poel.War kurzzeitig auch in der 1. Flotille auf der Greifswalder Oi.
Bei uns im Hafen lag zuletzt, soweit mir das noch in Erinnerung ist, die 6. Grenzbootsabteilung und der Grenzkontrollkutter.
Gab es den Kutter noch zu deiner Zeit , lag meist Übergang Wohlenberger Wieck zur offenen See vor Anker zur Kontrolle der Fischerboote.An Sportbootsverkehr kann ich mich zu meiner Zeit außerhalb der inneren Gewässer nicht erinnern.Selbst im Bereich innerer Gewässer, Wohlenberger Wieck sehr begrenzt.


Zitat von Andi im Beitrag #1
Wir sind ausgelaufen zum normalen Grenzdienst auf See. Verantwortlich im Seegebiet der Lübecker-Bucht, bereits 8Tage im Einsatz. Alle innerpolitischen Ereignisse in der DDR habe ich mit meiner Besatzung zu dieser Zeit nur im Fernsehen mitbekommen. Am 09.11.89 war etwas besonderes in der AK zu sehen. Die Grenze ist geöffnet. An Bord meines Schiffes wahren damals 21 Matrosen und Unteroffizire und mit mir 5Offiziere. Als Kommandant des Schiffes habe ich nach der AK alle Offiziere in die Messe befohlen, um zu beraten was jetzt zu unternehmen ist. Als erstes wurde versucht einen Kontakt mit dem Kommandostützpunkt in Rostock aufzunehmen. Trotz aller Bemühungen, es gab keinen Kontakt mehr zum OP-Dienst der 6.Grenzbrigade-Küste! Zu dieser Zeit war es gerademal 21:00Uhr! Ausgestrahlte Bilder der AK haben gezeigt wie ein PERSO mit gültigen Stempel aussieht, der zur Ausreise berechtigt. Wie nun auf hoher See einen Ausweis kontrollieren? Ohne weitere Befehle zu erhalten (weil kein Funkkontakt -selbst zum Marinekommando der Volksmarine) habe ich einen Entschluß gefasst. Anker auf und Richtung Wismarer-Bucht mit langsamer Fahrt. Mir war klar, dass nicht nur in Berlin die Menschen mal eben mal"rüber" wollen, nein auch im Hafen Wimar und auch im Hafen von Poel, gab es viele "Hobbykapitäne". Also verbrachte ich die Nacht auf der Brücke meines Schiffes mit viel Kaffee und die Augen auf dem Radarbild. Natürlich hat in dieser Nacht die gesamte Besatung nicht geschlafen. Zur allgemeinen Sicherheit habe ich veranlaßt, die Munition vom Bordgeschütz abzuschlagen und unter Verschluss zu bringen. Alle Waffenträger an Bord haben ihre Waffen in der Waffenkammer eingelagert. Den Schlüssel zur Waffenkammer habe ich in meinen Kommandantensave gesichert. Eigentlich war mein letzter Befehl die Seegrenze der DDR zu sichern. Jeder Soldat weis, der letzte empfangene Befehl ist bindend. Damals war ich 28 Jahre alt, junger Kommandant mit enormer Verantwortung für Schiff und Besatzung.
Mit beginnendem Morgengrauen kam genau das, was ich erwartet habe. Auf dem Radarschirm eine vielzahl von kleinen Fahrzeugen mit Kurs Richtung West (Lübeck-Travemünde). Zu meinem Erstaunen hielten alle Fahrzeuge Kurs auf mein Schiff. Die Skipper der Boote nahmen an, dass mein Schiff eine Art Passkontrollstelle darstellt und machten einer nach dem anderen längseits fest, um ihren und deren Besatzungsmitglieder erworbenen Stempel im PERSO zu zeigen. Alle hatten kein nautisches Kartenmaterial zur Verfügung, fragten nach Kurs in Richtung Travemünde, und versprachen wir kommen alle zurück, wir wollen nur mal schauen wie es im Westen so ist.
Alleingelassen von "OBEN" entschloss ich mich zum Rückmarsch nach Rostock.
Kapitänleutnant a.D. Andreas Kruck
Hallo und willkommen im Forum.Interessanter Bericht der auch Fragen aufwirft.Grün:kein Kontakt zum Stützpunkt Rostock möglich?Was steckt dahinter,das kann man sich kaum vorstellen oder?
Du schreibst die kleinen Fahrzeuge machten an deinem Schiff fest um ihre Stempel vorzuzeigen.Woher sollen die im Morgengrauen des 10.November die Stempel im Perso haben?Das ging in Berlin direkt am Grenzübergang aber im Hafen?
Die 40 km lange Seereise im November bis nach Travemünde bei sehr ungemütlichem Wetter auf der Ostsee in einem kleinen Boot sind wohl auch bischen übertrieben,denn sie wollten ja auch zurückkommen.
Tut mir leid wenn ich da ein paar Zweifel anmelde,hat einer vielleicht Bilder gemacht?
Lgandyman

#12


Zitat von andyman im Beitrag #10
Die 40 km lange Seereise im November bis nach Travemünde bei sehr ungemütlichem Wetter auf der Ostsee in einem kleinen Boot sind wohl auch bischen übertrieben,denn sie wollten ja auch zurückkommen.
Tut mir leid wenn ich da ein paar Zweifel anmelde,hat einer vielleicht Bilder gemacht?
Ich will sein Erlebnis auch nicht anzweifeln. Normalerweise werden Sportboote (denke mal Segelboote) zu der Jahreszeit auch winterfest gemacht (glaube ich jedenfalls) und sind so schnell gar nicht einsatzbereit. Allerdings in den chaotischen Tagen war ja alles möglich. Müsste man schon genauer wissen, wer da mit was für Booten unterwegs war.


Du schreibst die kleinen Fahrzeuge machten an deinem Schiff fest um ihre Stempel vorzuzeigen.Woher sollen die im Morgengrauen des 10.November die Stempel im Perso haben?Das ging in Berlin direkt am Grenzübergang aber im Hafen?
Vielleicht hatten sich die Personen erst bei der Passkontrolle an den Seehäfen einen PKS einstempeln lassen ? Wird ja häufig verwechselt !
passport
#14


Zitat von passport im Beitrag #13
Du schreibst die kleinen Fahrzeuge machten an deinem Schiff fest um ihre Stempel vorzuzeigen.Woher sollen die im Morgengrauen des 10.November die Stempel im Perso haben?Das ging in Berlin direkt am Grenzübergang aber im Hafen?Vielleicht hatten sich die Personen erst bei der Passkontrolle an den Seehäfen einen PKS einstempeln lassen ? Wird ja häufig verwechselt !passport
Ich denke, er bringt da irgendwie die Tage durcheinander.
Als abends am 9. November Schabowski die frohe Botschaft verkündigt hatte, wird sich wohl keiner mit seinem Boot auf die Ostsee begeben haben.
Danach konntest du dir ja dein "Visum" beim VPKA im PA einstempeln lassen.


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