Vater, Mutter, Stasi - eine Buchvorstellung

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05.03.2015 11:58 (zuletzt bearbeitet: 05.03.2015 12:05)
#1
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„Meine Geschichte aufzuschreiben hat mich viel Überwindung gekostet.“

„Tatsächlich hat es jahrelang gedauert, bis ich Menschen wieder vertrauen konnte.“

„Noch länger hat es gedauert, bis ich in meinem Privatleben wieder Vertrauen gefasst habe.“

„Wenn ich etwas in meinem Leben gelernt habe, dann ist es, Gegenwind auszuhalten und die Energie, die in ihm steckt, zu nutzen.“


Dieses und viel mehr, könnte ich geschrieben haben. Doch es ist nicht meine Geschichte, sondern die einer heute 44- jährigen Frau, die ich euch vorstellen möchte. Einer Frau, die in ihrem kurzen Leben in der DDR missbraucht wurde. Zum einen von ihrem Stiefvater, zum anderen vom MfS. Gefangen in einem Netz von Abhängigkeiten, denn sowohl ihre Mutter, ihr Vater und sogar ihr Großvater waren informelle Mitarbeiter des MfS, hat sie mit 15 Jahren eine Verpflichtungserklärung beim MfS unterschrieben. Sie ist vor ihrer Familie „geflohen“, vom Missbrauch durch ihren Stiefvater direkt in die Arme von hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS in Greifswald.

Als die Mauer fiel, war sie 18 und von beidem befreit und hat beides jahrelang verdrängt. Als junge Frau stürzte sie sich in die Wendezeit mit all den Möglichkeiten, die sich jungen Menschen boten und engagierte sich aktiv in der Politik. Erst in Greifswald für Jugendarbeit und gegen Nazis, dann in der PDS und zum Schluss als Bundestagsabgeordnete für diese Partei. Bis 2002 ihre „Täterakte“ auftauchte.

„Täterakte“ - eines Opfers. Sie beschreibt ihren langen Weg der Aufarbeitung. Der nicht zuletzt so beschwerlich war, weil sie auf der Suche nach ihrer eigenen Biografie war. Dabei lässt sie nichts aus.

Das Buch ist heute erschienen. Ich habe das Glück gehabt, es schon gestern in den Händen zu halten. Und ich habe gelesen. In einem Zug – von der ersten bis zu letzten Seite. Nur die Auszüge aus ihrer MfS – Akte habe ich ausgelassen, denn ich will einfach diesen Schmutz nicht lesen, der damals zusammengetragen wurde. Und mit jeder Seite wuchs meine Wut. Gut, dass ich heute Nacht, als ich mit dem Buch fertig war, eine gute Freundin an meiner Seite hatte, der ich „Scheiß DDR“ entgegenschleudern konnte, ohne dass sie es mir übel genommen hat.

Auch wenn es in dem Buch nicht ausdrücklich ausgesprochen wird – es geht auch um das Verzeihen. Sich selbst. Und ihr. Wem sie nicht verzeihen kann, ist den wahren Tätern. Und ihrer Familie. Ich kann sie verstehen.

Heute Abend werde ich sie bei einer Lesung treffen – diese mutige Frau, die sich der Öffentlichkeit stellt – Angela Marquardt.

Vater, Mutter, Stasi: Mein Leben im Netz des Überwachungsstaates http://www.amazon.de/Vater-Mutter-Stasi-...er+mutter+stasi

LG von der Moskwitschka


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05.03.2015 12:16
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#2
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Näheres zu Frau Marquardt findet man hier. http://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Marquardt

Ich weiß immer gern, wer die Person ist, die schreibt.
Eine Biografie o.ä. läßt Schlüsse zu.


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05.03.2015 12:25
#3
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An einer Stelle im Buch, die ich jetzt auf die Schnelle nicht finde, schreibt Angela Marquardt sinngemäß - "Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ihre Biografie bei wiki redigieren"

Die Entwicklung, die Angela Marquardt durchmacht hat, wird dieser wiki - Eintrag nicht gerecht.

LG von der Moskwitschka


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05.03.2015 12:55 (zuletzt bearbeitet: 05.03.2015 12:55)
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#4
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Zitat von Moskwitschka im Beitrag #3


Die Entwicklung, die Angela Marquardt durchmacht hat, wird dieser wiki - Eintrag nicht gerecht.

LG von der Moskwitschka



Das macht nichts, eine grobe Schilderung/Beschreibung genügt schon.

Abgesehen davon, daß ich persönlich es für unnötig halte, daß jede/r ehemals Gepeinigte das auch in Buchform präsentieren muß,
finde ich, daß diese Frau recht vernünftige politische Ansichten, Hoffnungen und Ziele hat.

Hier ein Interview von Dez. 2013 mit Martin Bleskin von n-tv.
http://www.n-tv.de/politik/Mit-den-Verha...le11914466.html


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05.03.2015 13:07
#5
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Ja @Heckenhaus Und wie sie zu diesen Ansichten und auch Einsichtn gekommen ist, beschreibt sie in ihrem Buch. Und vieles andere mehr.

Und nein @Heckenhaus ;-) Ich finde es richtig, dass sie das Thema "Minderjährige als IM beim MfS" so ausführlich aufgreift. Ist es doch eines der Themen, über das viel geschrieben wird, aber in dieser Deutlichkeit kaum zur Sprache kommt.

LG von der Moskwitschka


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05.03.2015 13:39
avatar  Lutze
#6
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nur was wollte diese Frau nach der Wende in die PDS,
wo es gerade in dieser Partei nur so von ehemaligen
MfS-Leuten wimmelte?
Lutze

wer kämpft kann verlieren,
wer nicht kämpft hat schon verloren


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05.03.2015 14:13 (zuletzt bearbeitet: 05.03.2015 14:15)
#7
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Auch diese Frage beantwortet sie in ihrem Buch.

Nach der Wende war sie aktiv in der Jugendarbeit und bei der Antifa. Die PDS war die einzige Partei, die auf diese "alternativen" Jugendlichen, die einen Platz in der Gesellschaft und auch ein "Dach" über den Kopf für ein Jugendclub gesucht haben, zugegangen ist. Angela Marquart nannte es die "Kümmerpartei", die die Jugendlichen ernst genommen hat. ;-)

In der PDS ist sie übrigens für die Offenheit der Mitglieder und Funktionsträger mit ihrer MfS - Vergangenheit eingetreten. Ihre eigenen Verstrickungen hat sie nicht zuletzt wegen der Parallelität der Ereigeignisse in ihrer Jugend verdrängt. Die Verdrängung der Gewalt durch ihren Stiefvater, die für mich nachvollziehbar ist, hat auch Details aus dem Familienleben eingeschlossen, das eng mit dem MfS verknüpft war.

Ich denke man sollte das Buch lesen, um auch nur ansatzweise zu verstehen.

Heute ist sie übrigens Mitglied in der SPD und Geschäftsführerin der "Denkfabrik". http://www.spd-denkfabrik.de/cms/website.php Ihren Weg dorthin beschreibt sie auch in ihrem Buch

LG von der Moskwitschka


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05.03.2015 14:31
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#8
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Was für eine berührende Geschichte. Wieviel Mut dazu gehört sich dem zu stellen.


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05.03.2015 16:44
#9
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"Berührend" ist für mich irgendwie der falsche Begriff für diese Lebensgeschichte.

Am Wochenende war in einer Wochenendausgabe einer Berliner Zeitung ein ausführliches Interview mit Frau A. Marquardt, unter anderem auch zum erwähnten Buch.

Gruß
Nostalgiker

Aber auf einmal bricht ab der Gesang,
einer zeigt aus dem Fenster, da spazieren sie lang,
die neuen Menschen, der neue Mensch,
der sieht aus, wie er war
außen und unter`m Haar
wie er war ...

_______________
aus; "Nach der Schlacht" - Renft - 1974
Text: Kurt Demmler


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05.03.2015 16:50
avatar  Pit 59
#10
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Vater, Mutter, Stasi:


Das arme Kind


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05.03.2015 16:59
#11
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@Pit 59, ich wünsche Dir auch nicht nachträglich das Du ein Opfer häuslicher und sexueller Gewalt gewesen wärst, denn Dein sogenannter Kommentar ist allerunterste Schublade.

Nostalgiker

Aber auf einmal bricht ab der Gesang,
einer zeigt aus dem Fenster, da spazieren sie lang,
die neuen Menschen, der neue Mensch,
der sieht aus, wie er war
außen und unter`m Haar
wie er war ...

_______________
aus; "Nach der Schlacht" - Renft - 1974
Text: Kurt Demmler


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05.03.2015 17:20
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#12
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Es ist eine tragische Geschichte von hunderten, die es im Buchhandel gibt. Von Stasiopfern, Opfern häuslichen
Mißbrauchs, Mißbrauchs durch die Kirche usw.
Wer unentwegt solche Literatur lesen mag, soll es tun.
Mein Interessengebiet ist es nicht, weil ich zu solchen Themen keine Verbindung habe und außerdem bereits ein paar
Bücher über verschiedene Einzelschiksale anderer Natur gelesen habe.

Stasi-Themen interessieren mich hingegen nicht, denn dieses Kapitel ist für mich Geschichte, ich schwelge nicht in alten,
vergangenen Zeiten, werde auch nichts aufarbeiten, auswerten, verarbeiten oder anderwertig bearbeiten.
Das Thema ist bei mir durch, wer für mich nie aktuell.

Staunen muß ich nur jedes Mal, woher immer neue Buchautoren zum Thema Stasi kommen.
Aber das ist heute so der Trend, jeder, der im öffentlichen Leben rumwuselt, egal, in welchem Genre, muß ein Buch schreiben.
-


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05.03.2015 17:26
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#13
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Ich halte mich immer ein bißchen dedeckt bei solchen Veröffentlichungen.Weil ich nicht weiß, was will derjenige damit erreichen.Es paßt auf jeden Fall in die politische Lage,damit nie Ruhe hinein kommt.Bei all dem scheint man vergessen zu haben, daß das MfS keine soziale Einrichtung war, die MA hießen auch nicht Mutter Theresa,sondern es war ein Geheimdienst in der ganzen Breite der Aufgaben , die ein Geheimdienst zu erfüllen hatte und mit den Möglichkeiten, die eben nur einem GD zur Verfügung standen.Ohne entsprechende IM oder wie man sie auch bezeichnen möchte, kann kein Geheimdienst existieren und die Mittel und Methoden der Anwerbung sind überall gleich, wenn gleich beim MfS die Methode Überzeugung das tragendere und länger anhaltende Motiv war, Aber deshalb und gerade um in die interessanten Zielgruppen zu gelangen, in Führungsgremien, wo Pläne und Absichten entwickelt wurden, wurde die ganze Palette der Werbungsmethoden genutzt.Und GD Arbeit ist mitunter auch schmutzige Arbeit, egal in welchem Staat.Ich fände es zumindesten schön, wenn ein paar von den westlichen IM mal so aus der Schule plaudern würden, oder dürften, wie so manch einer gegen seinen Willen auf der Grundlage kompromitierenden Materials zur Zusammenarbeit gezwungen wurde , wie Familien unter Druck gesetzt wurden und wie man mit ihm verfahren ist, als er aussteigen oder ablehnen wollte.Ich denke auch da wird der Bereich Verkehrsunfall, oder Jagdunfall usw. nicht untätig gewesen sein.Wie immer und überall wird es dafür nie Beweise geben, lediglich ein Inserat" plötzlich und unerwartet...Auch in der BRD wurde dafür gesorgt, daß bei Ablehnungen,wenn es sich um eine hochkarätige Person gehandelt hat, das dieser nirgentwo mehr einen Fuß in die Tür bekommen hat. Das muß man einfach mal zur Kenntnis nehmen. Das wissen auch alle, die einmal mit einem GD in Berührung kamen.Nur das ahnungslose Volk fällt immer aus dem Himmel, wenn etwas über die Arbeit der GD veröffentlicht wird, vornehmlich natürlich aus der DDR oder Russland. Es gibt noch einen GD, der kein Pardon kennt,neben dem CAI, der israelische Mossad.


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05.03.2015 19:00
avatar  Uleu
#14
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25 Jahre danach entdeckt wieder jemand die Vorteile einer Opferrolle ? Nehme ich ihr heute nicht mehr ab.

" Die geheime Aufklärung ist ein Dienst, der nur Herren vorbehalten ist " ( Oberst Nicolai, Leiter der dt. Militäraufklärung im 1. WK )

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05.03.2015 19:24 (zuletzt bearbeitet: 05.03.2015 19:26)
#15
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Opfer der vorangegangenen Diktatur haben noch länger gebraucht bzw. haben zeitlebens nicht über ihre Traumata sprechen können.

Auch wenn das nicht mit der DDR vergleichbar ist: Es kostet Betroffene der DDR trotzdem Überwindung.

Bücher von DDR-GWDlern, die sicherlich noch weniger gelitten haben, wurden und werden auch erst jetzt geschrieben (da war die "Chefsliteratur" schneller da).

Klar, die Hähme und Negierung unangenehmer Tatsachen kommt von einer Minderheit jedesmal reflexartig.

Disziplin ist die Fähigkeit, dümmer zu erscheinen als der Chef. (Hanns Schwarz)


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