Wer die DDR verlassen will und einen Ausreiseantrag stellt, muß mit Nachteilen für sich und seine Familie rechnen.

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29.08.2009 17:42von Angelo
Frage
Wer die DDR verlassen will und einen Ausreiseantrag stellt, muß mit Nachteilen für sich und seine Familie rechnen.

Wer die DDR verlassen will und einen Ausreiseantrag stellt, muß mit Nachteilen für sich und seine Familie rechnen. Bestimmte Gruppen, wie Studenten, Schüler und Soldaten sind ganz von der Ausreise ausgeschlossen. Der Versuch, die DDR unbefugt zu verlassen, wird nach dem Paßgesetz von 1957 als "Republikflucht" mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Trotzdem hören die Fluchtversuche nie auf. Bis Ende 1989 sterben über 300 Menschen an der innerdeutschen Grenze und etwa 200 an den Grenzanlagen um West-Berlin.

Entspricht das der Wahrheit? War das wirklich so ?

30.08.2009 06:59von ( gelöscht )
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Das mit den Nachteilen stimmt mit Sicherheit. Wir hatten in der Bekanntschaft meiner Eltern einige Leute, die es betraf. Da war plötzlich keine Delegierung auf die EOS (vergleichbar mit dem Gymnasium) mehr möglich. Bei bestimmten Berufen, wie im Bahnwesen, Schiffahrt, Luftfahrt, Elektronikindustie (hier wohl, um Blamagen zu vermeiden...), Kulturwesen war plötzlich keine Ausbildung mehr möglich oder wurde unter fadenscheinigen Gründen abgebrochen. Ein Bekannter, dessen Eltern (er aber nicht) ausreisen wollten, sollte aus der Jagdgesellschaft rausfliegen und plötzlich kein Jäger mehr sein dürfen (das passierte dann aber nicht, weil es in der Jagdgesellschafft hierfür keine Mehrheit gab). Mein allererster Fall bei der Kripo war ein Bürger, dem man nach einem Ausreiseantrag seine illegal auf dem Dach montierte Westantenne abgebaut (er sagte geklaut, was ja eigentlich nicht stimmte) hatte. Die gleichen Antennen der übrigen Bewohner blieben wo sie waren, haben also nicht interessiert - das war schon auch Schikane.
Das Schüler und Studenten von der legalen Ausreise ausgeschlossen wären, kann ich nicht glauben. Dann hätte es keine Familienzusammenführung gegeben. Bei Geheimnisträgern war das sicher schwieriger oder konnte viele Jahre dauern.

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S51 ( gelöscht )
30.08.2009 07:12von ( gelöscht )
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Bei den Toten an der Grenze ist es fast wie eine Glaubensfrage. Die Einen zählen nur die, wo der Tod durch fremde Einwirkung im Zusammenhang mit einem versuchten Grenzdurchbruch und die Personalien eindeutig festgestellt wurden. Dann sind es vielleicht sogar viel weniger. Aber es gab mit Sicherheit Fälle, die nicht so klar dokumentiert sind.
Die Anderen zählen jeden mit, der dort in der Nähe oder auch woanders gestorben ist oder gestorben sein soll und nur irgendeine entfernte berufliche oder sonstige Nähe zur Grenze hatte. Unabhängig von Todesursache und davon, ob der/die Betreffende vielleicht dort gar nicht war oder noch lebt. Da muss die Gerüchteküche für Zahlen herhalten. Besonders eifrig ist in dieser Hinsicht ein Museum in Berlin.
Ich halte die Zahlen der offiziellen Forschungsgruppe für halbwegs real.
Unabhängig davon war/ist es um jedes Leben schade.

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S51 ( gelöscht )
30.08.2009 08:31von ( gelöscht )
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Zitat von Angelo
Wer die DDR verlassen will und einen Ausreiseantrag stellt, muß mit Nachteilen für sich und seine Familie rechnen.


Auf die EOS gehen um Abitur zu machen wurde mir nicht gestattet, ich schaetze mal schwer das unser Ausreiseantrag da was mit zu tun hatte.

Zitat von Angelo
Bestimmte Gruppen, wie Studenten, Schüler und Soldaten sind ganz von der Ausreise ausgeschlossen.


Stimmt wohl nicht ganz. Ich war damals Schueler (naja, Lehrling), und trotzdem durfte ich so wie meine Schwester (die war Schuelerin) mit unseren Eltern ausreisen.

-Th

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CaptnDelta ( gelöscht )
30.08.2009 09:59von ( gelöscht )
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Es schrieben zehntausende diese Anträge.

Und natürlich kam nicht jeder in den Knast und wurde schickaniert. Aber es gab sie - diese Menschen denen genau das passierte. Hier wird so oft pauschal geurteilt - in die Eine wie auch in die Andere Richtung.

Es ist wie mit den politischen Witzen:

Tausende wurden erzählt - Tausendmal ist nix passiert - aber es gab sie eben: Menschen die dafür in den Knast sind.

Mitarbeiter der Stasi:

Natürlich hatten nicht alle die Möglichkeit Menschenrechtsverletzende Instrumente einzusetzen - natürlich gab es Köche, Pförtner etc. - aber hier wird dass dann von einigen so pauschal hingestellt, als ob das dann ein Verwaltungsapparat gewesen sein soll, der sich um das Wohlergehen des Volkes gekümmert hat, weil andere Behörden nicht wollten oder konnten und zusätzlich gab es noch Ernährungsberatung - bei den vielen Köchen...

Hat nicht alles was mit dem Thema zu tun - aber diese Pauschalaussagen manchmal... (Messer...Tasche...aufgehen...)

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manudave ( gelöscht )
30.08.2009 12:07von Ernest
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Mein Schwager hatte für sich und seine Familie (Frau und drei Kinder) einen Ausreiseantrag gestellt. Er wollte zu seiner Schwester nach Lübeck.
Mit der Antragstellung begann ein Spießrutenlauf, wo eine Existenz systematisch zerstört wurde.
Erst verlor er seinen Posten, da es nicht tragbar war, daß ihm Leute unterstellt sind. Dann, so nach und nach, wurde Steinchen für Steinchen seiner beruflichen Karriere abgebaut, bis er zuletzt, nach Monaten, total seine Arbeit verlor. Er stand an einem Punkt, wo er nicht wußte, wie es weitergehen soll und wie es überhaupt möglich sein soll, seine Familie zu ernähren.

Das Schlimme an der ganzen Sache, er wußte zu dem Zeitpunkt nicht einmal, ob sein Antrag überhaupt je genehmigt wird.
Zu jeder schrittweisen "Degradierung" wurde er ins Kombinat vorgeladen, wo man ihm sagte, mit der Rücknahme des Antrages könne er zuminderst einen Teil seiner beruflichen Laufbahn retten. Da er sich jedoch weigerte, kam es halt letztendlich zur totalen Arbeitslosigkeit.
Bei meiner Schwägerin verlief es ähnlich, wenn auch nicht ganz so spektakulär. Man sagte ihr, da für ihre Arbeit eine langfristige Planung nötig wäre und sie ja die DDR verlassen will, könne sie nur noch für "Hilfsarbeiten" eingesetzt werden.

Das im Vorfeld die ganze Nachbarschaft über sie ausgefragt wurde, war dagegen nur eine Kleinigkeit zu dem, was sie so durchmachen mußten....... war also nicht der Rede wert.
Als er dann ohne Arbeit da stand, kam kurz darauf der Bescheid, sie können ausreisen und haben binnen " so und so viel" Stunden die DDR zu verlassen. Jeder durfte dann mit einem Koffer "bewaffnet" ausreisen.......nicht mehr und nicht weniger.

Mit Menschlichkeit hatte dies alles nichts zu tun. Und wenn ich dann teilweise lese, es brauchte ja keiner über die Grenze abzuhauen, man konnte ja gefahrlos ausreisen, in dem man einen Ausreiseantrag stellt, dann wird es mir ganz einfach speiübel.

Es mag sein, daß manch Ausreiseantrag problemloser über die Bühne ging. Nur wie alles abläuft, was jeder durchmachen muß und ob es überhaupt genemigt wird, wußte keiner.
Mein Schwager sagt, als er ganz am Ende stand, ohne Arbeit, ohne Wissen, wie es weitergeht, nervlich nur noch ein Wrack, da war der Strick näher als alles andere. Der Gedanke, das er mit der Antragstellung nicht nur sein Leben, sondern auch das Leben seiner Familie zerstört hat, war wie ein finaler "Dolchstoß" für ihn.

Heute ist alles vorbei und Geschichte. Nur ich weiß, daß er ungern an diese Zeit zurück denkt und auch nicht daran erinnert werden möchte.

Gruß
Herbert

30.08.2009 12:27von ( gelöscht )
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Wie die meisten hier schon wissen, bin auch ich- wie CaptnDelta- ein Betroffener gewesen. Ich habe den Antrag damals persönlich abgegeben, und ich habe persönlich die Entlassungsurkunde aus der Staatsbürgerschaft der DDR gegen Zahlung von 30 Mark erhalten, danach die Identitätsbescheinigung gegen Zahlung von weiteren 25 Mark.
Dazwischen lagen fast 2 Jahre Erniedrigung, Demütigung, Einschüchterung, schlimme psychische Verhöre- denen ich damals - ganz ehrlich- kaum gewachsen war. Immer wurde einem vermittelt, du schaffst das nie, wir lassen sie nicht weg. 3 Tage vor Weihnachten erfuhr man dann, dass man innerhalb von 14 Stunden das Land verlassen muss, ansonsten wird man inhaftiert. Damit wollte man verhindern, das wertvolle Dinge veräussert werden konnten, nicht wenige Häuser kamen so billig an MfS-Angehörige. Noch heute kenne ich die Grundlage dafür nicht. Man hat mich während dieser 2 Jahre in 4 verschiedene Betriebe gesteckt- immer zu anderen Leuten- immer in den Dreck, einmal auch in der Kohle- allerdings um LKW zu reparieren. Dem Knast bin ich um Haaresbreite entgangen, so die Auskunft des Mitarbeiters der Abtlg. Inneres. Dabei hatte ich nur das Glück an "vernünftige" Entscheidungsträger zu gelangen. Auch die gab es natürlich. Freunde, die zu mir gehalten haben, hat man seitens der Stasi unter Druck gesetzt, einige haben dann aus Angst eingelenkt und die Verbindung zu mir gelöst- andere mich bespitzelt. Aber ein paar wenige sind standhaft geblieben. Diese Erfahrungen über eine andere DDR wünsche ich keinen. Gut, das man vorher nicht wusste, was auf einen zukommt.

Ausreisen durften nicht alle (Schüler u. Studenten immer)- natürlich gab es eine Untersagungsmöglichkeit des Ministers für Personengruppen (Grenzer, z.B.)- unsere Experten hier wissen das, aber über Botschaften kamen manchmal sogar MfS- (Familien)-Angehörige raus. Hier hatte das MfS einfach keine guten Karten- Honecker traf hier die Entscheidung- auch gegen den Rat einiger Mitarbeiter.

Augenzeuge

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Augenzeuge ( gelöscht )
30.08.2009 14:31von ( gelöscht )
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Gabs auch Fälle,wo normale Bürger einen Ausreiseantrag stellten und dann rasch und unkompliziert ausreisen konnten ?-also
genau das Gegenteil von dem,was wir bisher gehört haben.

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Zermatt ( gelöscht )
30.08.2009 14:59von Ernest
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Hallo Zermatt,

ich persönlich kenne keine Fälle. Nur ich kann mir gut vorstellen, daß zum Ende der DDR-Ära vielleicht einiges schneller lief.
Nur zu tiefen DDR-Zeiten war man bestimmt nicht daran interessiert, daß es die Runde macht, mit einer Antragstellung käme man schnell und unkompliziert in den Westen. Indem man die Antragsteller bis auf`s Letzte menschlich herabwürdigte, wollte man bestimmt auch andere abschrecken.

Ist jetzt nur so eine Überlegung von mir.

Gruß
Herbert

30.08.2009 16:45von ( gelöscht )
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Ja Zermatt,

in den 80ern gab es so eine Phase. Die DDR wollte damit die Ausreisewilligen raus lassen und hoffte auf Ruhe danach.
Das hat allerdings nicht gewirkt, die Zahl der Anträge ebte nicht wirklich ab.

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manudave ( gelöscht )
30.08.2009 16:56von ( gelöscht )
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Zitat von Zermatt
Gabs auch Fälle,wo normale Bürger einen Ausreiseantrag stellten und dann rasch und unkompliziert ausreisen konnten ?-also
genau das Gegenteil von dem,was wir bisher gehört haben.



Nun, zermatt, die schnellsten Fälle, die ich kenne, dauerten gut ein halbes Jahr. Aber ohne Schikane ging nie etwas.

In einem Fall war die Person schon längere Zeit ohne Arbeit- auch das gab es in der DDR- und wurde als asozial bezeichnet. Obwohl das nicht stimmte. Er war lediglich politisch nicht konform und hatte auch eine Lebenspartnerin und ein Kind. Der Mann kam ohne größere Probleme raus, aber auch von einem auf den anderen Tag. Bei der Familie wollte man ein Exembel statuieren. Auch diese hatten übrigens einen Ausreiseantrag laufen, dem man nicht entsprach. Sie waren nicht verheiratet. Auch war die Zersetzung der Familie das Ziel. Man versuchte sogar die Mutter zu entmündigen. Der Mann lies von Westberlin nichts unversucht seine Familie mittels Familienzusammenführung rauszuholen. Natürlich hatte er auch ein Einreiseverbot in die DDR. Als sich die Familie mit ihm in der CSSR treffen wollten, erlaubte man dem Kind die Ausreise in die CSSR nicht. Aus Verzweiflung überquerte der Mann nachts die Grenze CSSR/ DDR. Er blieb unentdeckt und kam bis nach Dresden.
Dort blieb er über Weihnachten bei seiner Familie und ging dann über die Grenze heimlich in die CSSR zurück. Von hier reiste er normal wieder in die BRD/ Westberlin aus. Die Stasi versuchte mittels Fälschungen die Vaterschaft des Mannes in Frage zu stellen um damit einer Ausreise des Kindes in den Westen entgegenwirken zu können. Ein bis dato fremder Mann sollte der Vater sein. Man versuchte seitens des MfS wirklich alles. Der Frau wollte man das Sorgerecht entziehen, sie könnte ihren Sohn nicht im Sinne des Sozialismus erziehen. Letztlich war sogar F.J. Strauss involviert. 2 Jahre später durften beide ausreisen.
Diese wahre Lebensgeschichte soll alle zum Nachdenken bringen, die meinen, eine Ausreise aus der DDR war ein Zuckerlecken.

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Augenzeuge ( gelöscht )
30.08.2009 18:46von ( gelöscht )
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Hallo Leute,
ich war auch früher der Meinung, wer unbedingt die DDR verlassen will,der soll ein Ausreise-Antrag stellen
und nicht über die Grenze abhauen.Das dieser Antrag soviel Schikanen ausgelöst hat, konnte ich mir zur dieser
Zeit nicht vorstellen.---War ich zu naiv???----
Heute denke ich über vieles anders und bin auch froh das viele sich mit dem auseinandersetzen. Im Urlaub war ich auch
in Hohenschönhausen, im Stasi-Knast.Es ist einfach erschreckend,was man mit den Gegnern einer Diktatur veranstaltet hat.
So eine Menschenverachtung gegen das eigene Volk.

Deswegen finde ich die übertriebene Nostalgie über die DDR schauderhaft. Klar erinnere ich mich auch gern zurück.
Fand diese und jene Sachen auch gut. Aber man sollte immer daran denken, daß die DDR eine Diktatur war und es viele
Menschen gab, die nichts zu lachen hatten.

Stelle mal 2 Bilder von Hohenschönhausen rein. Gruß Jens

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Jens ( gelöscht )
30.08.2009 19:04von Ernest
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Zitat von Jens
Hallo Leute,
Das dieser Antrag soviel Schikanen ausgelöst hat, konnte ich mir zur dieser
Zeit nicht vorstellen.---War ich zu naiv???----



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Hallo Jens,

naiv warst du auf keinen Fall. Woher sollten auch Außenstehende wissen, was wirklich abläuft.
Das wußten nur die Betroffenen selbst, wie Augenzeuge oder CaptnDelta, die es am eigenen Leib zu spüren bekamen und eventuell das unmittelbare Umfeld. (Verwandte, gute Bekannte).

Gruß
Herbert

(kleiner Nachtrag) und natürlich die, die alles zu verantworten hatten. Für den Normalbürger war diese Unmenschlichkeit unvorstellbar.

30.08.2009 19:17von ( gelöscht )
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meine großeltern sind ende der 80 jahre ausgereist. es gab keine probleme. ich glaube rentner hatten sowiso keine probleme. sie durften keinen besitz in der ddr hinterlassen. sie musten ihren hof verkaufen. eine frage hätte ich noch. was war eigentlich wenn mann die ddr verlassen konnte mann aber mehr hatte als einen koffer. da gab es doch eine spedition in der ddr. ich komme nicht auf denn namen. deutrans? kann das sein? lg glasi

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glasi ( gelöscht )
30.08.2009 19:21von ( gelöscht )
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Mensch Jens,

über deinen Beitrag bin ich positiv überrascht - hätte ich so nicht erwartet.

Ich denke naiv ist das falsche Thema. Wer diesen Antrag nicht stellte und vielleicht auch niemanden kannte, der das getan hat - der kam einfach nicht in Berührung mit den Folgen, die das haben konnte.
Meine Eltern haben auch 3 Stück verfasst - einen habe ich mal vor dem Absenden gefunden und gelesen. Für mich als Stöpsel war das kaum zu verstehen, warum meine Eltern mit uns verduften wollten. Mir ging es doch gut, ich hatte keine Probleme, wollte mal Soldat werden und hatte ein Gefühl von Sicherheit.
Aber wenn man das heute sieht, macht einen das nachdenklich. Das Gefühl von Sicherheit bekam man, indem man seine Freiheiten (da meine ich natürlich jetzt alle DDR-Bürger) abgab bzw. sie nicht einforderte.

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manudave ( gelöscht )
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