Aquarienpolizist-Meine Zeit im "Wachkommando Missionschutz Berlin"

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13.02.2015 21:21
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#31
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Zitat von ABV im Beitrag #28
Zitat von Lutze im Beitrag #23
bekommst du dein Gehalt immer noch
im Vorraus gezahlt @ABV ?

Lutze


Ja, Lutze. Noch heute bekommen die Polizisten, ich denke mal der übrige " Öffentliche Dienst" ebenfalls, das Gehalt im Voraus ausgezahlt.

Viele Grüße aus dem Oderland
Uwe


Ist zwar total OT - aber die Angestellten im öffentlichen Dienst bekommen ihr Gehalt nachträglich - also am Monatsletzten für den abgelaufenen Monat.

Das ergibt für diejenigen, die den Renteneintritt schon ein bisschen im Blick (so wie ich) haben, einen wunderlichen Effekt: Gesetzt den Fall, ich würde jetzt am 31.03. in Rente gehen, bekäme ich an dem Tag mein Gehalt für den Monat März. am 01.04. meine Rente für den Monat April. Vermutlich will man die Beamten vor solchen Verwicklungen schützen - da läuft alles weiter wie gehabt - nur der Name der Zahlung ändert sich.

Gruss

icke


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16.02.2015 16:13
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#32
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ABV ( gelöscht )

Fortsetzung
An diesem Abend gaben die Puhdys ein Konzert im Schlosspark von Biesdorf. Da die anderen keine Lust verspürten den Klängen der wohl berühmtesten „Ost-Band“ zu lauschen, ging ich allein dorthin. Und zwar zu Fuß. Schlosspark und Wohnheim lagen ohnehin nur einen knappen Kilometer voneinander entfernt. Außerdem brauchte ich dringend frische Luft zum Nachdenken.

Nichts regt die grauen Zellen mehr an, als ein Fußmarsch. Noch immer schwirrten, aufgescheuchten Bienenschwärmen gleich, tausende Gedanken durch meinen Kopf. Hatte ich mir den Beruf eines Volkspolizisten wirklich so vorgestellt? Einerseits schmeichelte mir das „entgegengebrachte Vertrauen“ noch immer. Sollte ich doch demnächst mit helfen, spionierende Diplomaten zu überführen. Bei der Vorstellung fühlte ich mich wie in einem Roman von Hans Siebe versetzt. Der zu jener Zeit zu meinen Lieblingsschriftstellern gehörte. Siebes Helden waren Volkspolizisten und MfS-Mitarbeiter, die sich im Dauerclinch mit fiesen „Westagenten“ und Menschenhändlerringen befanden. Natürlich siegten am Ende immer die Guten-Volkspolizei und MfS. Im Dezember 1989 habe ich, voller Frust und Enttäuschung, meine Siebe-Bücher im Badeofen verbrannt!

Aber wieder zurück zum Juni 1985:
Siebe hin oder her, wollte ich das wirklich? An und Abfahrtszeiten von westlichen Diplomaten notieren und das Personal aushorchen. Möglichst bis zur Rente. Nein, das wollte ich nicht! Sondern für Gerechtigkeit sorgen, die „Bösen“ in Schach halten und spannende Abenteuer erleben. Aber vielleicht bin ich einfach nur zu egoistisch? Die DDR, mein Staat, verdient schließlich jeden Schutz! Ich kann doch auch hier das „Böse“ zur Strecke bringen. Außerdem: welcher Volkspolizist hat schon mit echten Agenten eines westlichen Geheimdienstes zu tun? Bei diesem Gedanken ging es mir wieder besser. Heute, bei der Rückschau auf diese Zeit, weiß ich vor allem eines: man kann verdammt schnell zum Mittäter staatlichen Unrechtes werden. Ein wenig „Bauchmiezeln“ hier, ein wenig Abenteuersucht hier, gepaart mit persönlicher Unreife und falscher Überzeugung-schon ist man auf dem besten Weg ein Täter zu werden.

Zum zweiten Mal in meinem Leben konnte ich die Puhdys live auf der Bühne erleben. Zum ersten Mal 1982, im Kulturhaus Seelow. Unübersehbare Menschenmassen bevölkerten den Schlosspark. Kein Vergleich mit der provinziellen Kreisstadt im Osten der DDR. Aus hunderten, ja tausenden Kehlen wurden die wohl jedem Kind bekannten, längst zu Evergreens gewordenen Hits der Kultband mitgesungen. „ Alt wie ein Baum“, „Melanie“, „ Doch die Gitter schweigen“, „ Türen öffnen sich zur Stadt“.

Unfassbares Knistern lag in der ohnehin schon von einem nahenden Gewitter aufgeladenen Luft, als „ Maschine“ alias Dieter Birr, den zum tiefen Nachdenken anregenden Song „ Das Buch“ gefühlvoll intonierte. Täuschte ich mich, oder spiegelte sich in den Gesichtern einiger Zuhörer tatsächlich die Sorge vor einem alles zerstörenden Atomkrieg wieder? Nein, ich täuschte mich nicht. Mädchen schmiegten sich Schutz suchend an ihre Begleiter. Jedes einzelne Wort des bemerkenswerten Liedes sorgte für tiefe Nachdenklichkeit b ei dem zumeist jungen Publikum.

Ich fühlte dabei unheimlich stolz. Gehörte ich doch zu den „Guten dieser Welt“, die aktiv daran mitwirkten, dass das von Maschine besungene Buch nie erscheinen wird. Spätestens jetzt lösten sich die restlichen Bedenken über den Rechtsbruch der DDR, „ in Rauch auf“.

Für Nachdenklichkeit sorgte aber auch der Puhdys-Song „ Ich will nicht vergessen“. In selten gehörter Offenheit, sang „Maschine“ über Deutschland, ein Land das es spätestens seit dem 07.Oktober 1949 als „großes Ganzes“ nicht mehr gab-Deutschland. Die Puhdys setzten sich in dem Song kritisch mit diesem doch eigentlich nicht mehr existierenden Staat auseinander. Dennoch oder gerade deshalb widerspiegelte die von vielen Zuhörern mitgesungene Liedzeile „ hier bin ich geboren, auch dies ist mein Land“ einen für „Ostrocker“ ungewöhnlichen Patriotismus wieder. Der sich unmittelbar auf das Publikum übertrug, was mich ein wenig irritierte.

Gegen Ende des Konzerts ging ein heftiger Gewitterguss auf Band und Zuhörer nieder. Die Himmelsmächte ignorierend, spielten die Puhdys einfach weiter. Neben mir drängten sich ein paar Jugendliche unter einem großen Schirm. Bereits tropfnass bis auf die Haut, hielt ich auf meinem Standplatz aus. „ Hey, du musst doch nicht aufweichen“, rief mir eine helle Mädchenstimme zu. „ Komm zu uns, Puhdys-Fans lassen einander nicht im Regen stehen.“ Zögernd nahm ich das Angebot an. Ein junger, in einem blauen Jeansanzug gehüllter junger Mann, bot mir lächelnd einen Schluck „Braunen“ an. „ Du siehst so aus, als könntest du einen brauchen“, sagte der mir völlig Unbekannte.

Wir rückten aneinander, sangen gemeinsam „Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt“. Ich fühlte mich einfach nur glücklich, wie im Rausch. In der Nähe des Schirms liefen zwei uniformierte Volkspolizisten vorbei. „ Was haben Schnittlauch und Volkspolizisten gemeinsam?“, fragte eines der sich unter dem Schirm kauernden Mädchen. Um dann selbst sofort die Antwort zu liefern: „ Beide sind außen Grün und innen hohl.“ „ Hast du eine dummen Sohn, schicke ihn zu Robotron. Ist er noch viel dümmer, die VP nimmt ihn immer“, schob ein anderer nach.
Sofort erscholl lautes Gelächter. Die Heiterkeit isolierte mich innerlich von den Jugendlichen unter dem Schirm. Ob sie mir für mich auch zusammengerückt wären, wenn ich ihnen meinen Beruf verraten hätte? Wir waren beinahe im selben Alter, hörten die gleiche Musik, trugen ähnliche Klamotten, dennoch schien zwischen uns ein unsichtbarer Riss zu verlaufen.

Am nächsten Morgen ging ich zum ersten Mal in Uniform vom Wohnheim zur S-Bahn, die uns ins benachbarte Kaulsdorf brachte. Das nächtliche Erlebnis noch immer im Hinterkopf, beobachte ich misstrauisch die Reaktion der anderen, auf dem Biesdorfer S-Bahnhof wartenden Reisenden. Von diesen nahm jedoch niemand Notiz von ein paar wartenden Volkspolizisten.

Spätestens am Eingangstor des „Wachkommando Missionsschutz“ kehrte der ursprüngliche Stolz wieder zurück. Lässig zückte ich den an einem braunen Lederband befestigten Dienstausweis aus der linken Brusttasche meiner silbergrauen Uniformbluse. Nickend gewährte mir der Einlassposten den Zugang zum Objekt. Nun gehörte ich endgültig dazu.
Der Alltag für uns Anfänger bestand im Wesentlichen aus Gesprächen mit den „ Alten Hasen“, dem weiterem Studium von Dienstvorschriften und der Sortierung von Fahndungsfernschreiben. Die letztere Tätigkeit erwies sich als hochinteressant. Handelte sich doch dabei in vielen Fällen um Gewaltverbrechen, von deren Existenz der „Otto-Normalbürger“ normalerweise nichts erfuhr: Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Einbruchdelikte. Gefahndet wurde nicht nur nach Verbrechern, sondern auch nach sowjetischen Deserteuren.

„ Solch ein Deserteur hat vor ein paar Jahren einen Posten von uns in Karlshorst niedergeschossen“, erwähnte Felix beiläufig, als ich gerade das Fernschreiben las. „ Wie bitte?“ „ Ja, du hast richtig gehört. Der Kolja“, Felix verwendete den in der DDR üblichen Spitznamen für einen sowjetischen Soldaten, „ der Kolja hatte irgendwo Zivilklamotten geklaut. Die ihm aber nicht richtig passten. Jedenfalls sah er darin so auffällig aus, dass ihn der Genosse in Karlshorst kontrollieren wollte. Er konnte ja nicht ahnen, dass er einen sowjetischen Deserteur vor sich hatte. Noch viel weniger, dass er eine Pistole mit sich führte. Der Kolja eröffnete ohne Vorwarnung das Feuer auf unseren Genossen.“ Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund. „ Hat er überlebt?“ „ Überlebt hat er, aber der Genosse ist seitdem ein Wrack.“

Wieder eine Neuigkeit, die ich erstmal verdauen musste. Die eingangs erwähnten Gespräche mit den erfahrenen Mitarbeitern des „ZEK“ sorgten bei mir für weitere allgemeine Einblicke in die Tätigkeit des WKM. Obwohl sich einige mehr als bedeckt, ja geradezu abwehrend verhielten, wenn es um den konkreten Ablauf des Dienstes ging.

„ Du meinst also, dass dich eine hochinteressante, spannende und Abwechslungsreiche Tätigkeit erwartet?“, hatte mich ein älterer Hauptwachtmeister, nach einem Gespräch, lächelnd gefragt. Den ironischen Unterton hatte er, absichtlich oder unabsichtlich, nicht überspielt. „ Stimmt das etwa nicht?“, stammelte ich irritiert. Der Hauptwachtmeister zwinkerte mir zu. „ Ach weißt du, was soll ich lang und breit erklären. Jeder sollte sich ein eigenes Bild vom Dienst beim WKM schaffen. Dem einen gefällt es, dem anderen nicht. Warte ab bis es soweit ist.“

Ich lernte jedoch etwas über den Aufbau des WKM im Allgemeinen und dem des „ZEK“ im Besonderen, dazu. Das ZEK diente dem WKM nicht nur als Reserve, um krankheitsbedingte Ausfälle in den Wachen zu kompensieren, oder als „Feuerwehr“ für plötzliche Lageveränderungen. Diese Einheit verfügte auch über eine eigene Verkehrspolizei-Gruppe. Deren Einsatz erfolgte in aller Regel bei größeren diplomatischen Empfängen. Dort sorgten sie dafür, dass die Nobelkarossen der hochrangigen Gäste kein Verkehrschaos anrichteten. Und das Fahrzeuge „ungeladener Gäste“ dem festlichen Treiben fern blieben.

Darüber hinaus gehörten dem ZEK Volkspolizisten an, deren dienstliche Tätigkeit überwiegend in der Ausübung bestimmter Leistungssportarten, unter anderem Leichtathletik und Boxen, bestand. Nicht ohne Erfolg, wie die Vielzahl der in den Räumen des ZEK hängenden Urkunden und Medaillen verrieten. Wie alle Volkspolizisten gehörten auch sie der Sportvereinigung „Dynamo“ an. Anders als andere, waren sie nicht nur zahlende Mitglieder, sondern Angehörige einer bestimmten, von MdI und MfS geförderten Sportsektion.

Unumstritten waren die volkspolizeilichen Athleten innerhalb des ZEK dennoch nicht. Hinter der berühmten vorgehaltenen Hand wurde deren Tätigkeit durchaus kritisch gesehen. Zum Beispiel bei Bernd, einem etwa dreißigjährigen Hauptwachtmeister. Der bis vor zwei Jahren noch aktiv für die weinrote Sportgemeinschaft „ Dynamo“ die Fäuste schwang, jetzt aber zu den normalen Einsatzkräften gehörte. Bernd legte eine Ruhe an den Tag, die beinahe schon an Phlegma grenzte. Dazu erwies er sich als ungeheuer begriffsstutzig. Wenn jemand einen Witz erzählte, lachte Bernd stets als letzter.

Glaubt man älteren ZEK-Polizisten, so hatte sich diese Beeinträchtigung erst unmittelbar nach dem Ende seiner Boxer-Karriere eingestellt. Gewissermaßen als Spätfolge zu vieler „Kopftreffer“. Bezeichnenderweise nannte man ihn in Kaulsdorf deshalb „ der Mann mit dem einem Kampf Zuviel“.

Immer wieder klang in den Gesprächen verhaltene Kritik an dem hohen Leistungsdruck, der auf allen Dynamo-Sportlern lastete, an. In diesem Zusammenhang wurde auch über Doping gesprochen. Ein Thema dass es wie so vieles, in der DDR eigentlich gar nicht geben durfte:
„ Vor einiger Zeit bin ich dem Reinhardt Wilke im Präsidium begegnet. Der arme Kerl schaffte es kaum die Treppe hoch zu laufen. Er hat geschnauft und gepfiffen wie eine alte Dampflok. Der Mann war Hochleistungssportler, jetzt ist er mit fünfunddreißig Jahren ein Wrack. Ihr könnt mir sagen was ihr wollt, aber auch bei uns wird hin und wieder mit verbotenen Mitteln nachgeholfen.“

Die anderen Zuhörer runzelten die Stirn, wiesen den Erzähler zurecht, „ nicht solchen Scheiß zu quatschen“. Doping in der DDR? Nein, auch ich hielt das soeben gehörte für reine Übertreibung. Heute weiß ich es besser.

Gruß an alle
Uwe


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16.02.2015 16:40
avatar  Lutze
#33
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waren dir die Polizisten-Witze zu dieser Zeit
nicht bekannt gewesen?
Lutze

wer kämpft kann verlieren,
wer nicht kämpft hat schon verloren


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16.02.2015 16:45
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#34
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ABV ( gelöscht )

Zitat von Lutze im Beitrag #33
waren dir die Polizisten-Witze zu dieser Zeit
nicht bekannt gewesen?
Lutze


Na klar Lutze. Aber geärgert haben sie mich schon. Ich habe sie eher als Beleidigung aufgefasst. Bis ich bemerkte, dass einige Witze nicht ganz aus der Luft gegriffen waren. Zumindest was einige Volkspolizisten betrifft.

Gruß Uwe


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16.02.2015 17:11
avatar  Elch78 ( gelöscht )
#35
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Elch78 ( gelöscht )

Es wird in der Schilderung sehr deutlich, daß die Faszination des (Phantasie-)Berufsbildes "Volkspolizist" stärker war als das Spottbild gleichen Namens.

Alle diese Witze konnte man gar nicht kennen (und konnte deshalb immer wieder überrascht oder schockiert werden - je nach Standpunkt!), nicht zuletzt zeigte sich hier die Originalität des typischen und stetig gepflegten DDR-Witzes.

Und Polizistenwitze sind auch nicht "volkspolizei"-spezifisch.
Zeitnah zu dieser Geschichte (vielen Dank @ABV !) dürfte der folgende Hallervorden-Sketch spielen:

http://youtu.be/zdyyNkTsBWc
Also nicht traurig sein, ABV!
Wenn Zwei auf Streife gehen, haben sie wenigstens zusammen zehn Klassen ...

Elch


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16.02.2015 23:28 (zuletzt bearbeitet: 16.02.2015 23:29)
avatar  Harzwanderer ( gelöscht )
#36
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Harzwanderer ( gelöscht )

Für mich ist sowas wie dieser Thread das wahre "Gold" in diesem Forum. Jemand erzählt, andere hören zu - einfach klasse. Wenn jetzt vielleicht noch andere diesem Beispiel folgen und mit der gleichen intelligenten Selbstdistanz, ohne Selbstverleugnung aber auch ohne Rechthaberei und Propaganda, die Dinge beschreiben, wie sie bei ihnen eben waren, hätten wir hier ein echtes Feuerwerk guter Informationen. ABV ist der erste Volkspolizist, den ich hier näher "kennen lerne". Die ollen VP-Witze kannte ich auch schon früher. Aber das macht ihn hier richtig sympathisch, ohne, dass er hier Anerkennung fordern würde.
Kompliment, auch für den Mut, das persönliche Leben zu erzählen.


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18.02.2015 18:17
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#37
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ABV ( gelöscht )

Fortsetzung

Am Montag dem 10. Juni 1985, überraschte uns Hauptmann Nebeling mit der Nachricht, dass wir Neuen am morgigen Tag zum ersten Mal in den Einsatz gehen würden. Wir schauten uns erstaunt an. Nebeling schmunzelte wie ein Vater, der seinen Kindern soeben eine gelungene Überraschung bereitete. Bei mir mischte sich ungläubiges Staunen unter die anfängliche Freude. Hieß es doch stets, dass niemand in den operativen Einsatz geht, ohne vereidigt und an der Dienstwaffe ausgebildet zu sein. Offenbar galten im WKM andere Gesetze.
Souverän wischte Nebeling sämtliche Bedenken vom Tisch. „ Das ist nichts großes, Genossen. Nur eine simple Staatsfahrt. Mit euch kommen noch ein paar andere vom ZEK in den Genuss.“

Unter den anwesenden „ Alten Hasen“ breitete sich lautes Stöhnen aus. „ Wer besucht uns denn nun schon wieder?“, schnarrte ein kahlköpfiger, ketterauchender VP-Meister. „ Liest du keine Zeitung?“, schnaufte der Hauptmann ärgerlich und schob dem VP-Meister die aktuelle Ausgabe des „Neuen Deutschland“ zu. Der Genosse Erich Honecker erwartet den französischen Ministerpräsidenten Laurent Fabius zu einem zweitägigen Besuch, stand dort sinngemäß auf der Titelseite.

Der VP-Meister stöhnte noch immer: „ Zwei Stunden Vorsicherung, zwanzig Sekunden Durchfahrt der hohen Herren und zwei Stunden Nachsicherung. Ich kann mir echt etwas Besseres vorstellen.“ „Kannst du haben“, konterte Nebeling. „ Mir fehlt noch jemand für den Achtziger“. Das Genick einziehend, verstummte der VP-Meister zunächst.

„ Was kommt denn Morgen auf uns zu?“, wollte ich in aller Unbefangenheit wissen. Ein VP-Obermeister, der im ZEK als Gruppenführer fungierte, antwortete: „ Die Absicherung einer Staatsfahrt besteht zu Neunundneunzig Komma Neun Prozent aus Herumstehen. Die restlichen Null Komma eins Prozent des Einsatzes bestehen darin, wie ein Schießhund aufzupassen, dass im Moment der eigentlichen Durchfahrt, niemand auf die Straße rennt. Stelle dir mal vor was passiert, wenn der hohe Staatsgast aus Frankreich in einen Verkehrsunfall verwickelt wird.“

Genau, das wollte ich mir lieber nicht vorstellen! Extra für die Dienstanfänger erläuterte Hauptmann Nebeling detailliert die Aufgabenstellung eines zur Absicherung einer Staatsfahrt eingesetzten Streckenpostens. In erster Linie kam es darauf an, dass es während der Durchfahrt zu keinerlei unerwünschten Zwischenfällen kam. Dazu gehörten, neben plötzlichen, den Straßenverkehr betreffenden Ereignissen, sozusagen DDR-spezifisch, so genannte „Demonstrativtäter“. Darunter verstand man „ mit den politischen Verhältnissen in der DDR unzufriedene Bürger“, welche die Gelegenheit nutzten und der Weltöffentlichkeit, sprich dem Staatsgast, meist durch Plakate oder lautes Zurufen, ihre Unzufriedenheit zu demonstrieren. Wie so etwas bei dem von der staatlichen Volvo-Kolonne an den Tag gelegten hohen Geschwindigkeit funktionieren sollte, wusste Nebeling wahrscheinlich selbst nicht.

Die Möglichkeit eines Attentates konnte ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden. Obwohl sich das niemand von den Anwesenden so richtig vorstellen konnte. Terroristen und DDR passten, scheinbar, nicht zusammen.

Für den Streckenposten war vor allem folgendes wichtig:
Zunächst hatte er auf das so genannte „Ankündigungsfahrzeug“, erkennbar an der eingeschalteten weißen Rundumleuchte. Spätestens jetzt herrschte höchste Anspannung. Kurze Zeit später folgte diesem das Vorausfahrzeug. Zur besseren Erkennung mit zwei weißen Rundumleuchten versehen.

Jetzt sollte der Posten seinen Bereich völlig im Griff haben, denn dem Vorausfahrzeug schloss sich das Führungsfahrzeug, auf dessen Dach blaue und rote Rundumleuchten flackerten, den eigentlichen Staatstross im „Schlepptau“ an. Zu guter Letzt, gewissermaßen als Nachhut, fuhr ein Schlussfahrzeug hinterher. Zur Abwechslung waren deren Rundumleuchten blau und grün.

Das sollte ich mir nun alles merken? Mir schwirrte ja jetzt schon der Kopf. Außerdem wollte ich mir bei meinem ersten operativen Einsatz keinen Fehler leisten. Ansonsten könnte mein erster Einsatz gleichzeitig der letzte gewesen sein. „ Stelle dich bitte morgen nicht zu dicht an den Straßenrand, wenn Erich mit dem Franzosen vorbeifährt“, riet mir, verhaltend grinsend, ein jüngerer Hauptwachtmeister. „ Wieso denn nicht?“ „ Na er könnte dann denken, dass Charles de Gaulle wiederauferstanden ist“ , spöttelte der Hauptwachtmeister, in Anspielung auf die Größe meiner Nase. Alles lachte. Und ich am lautesten. Man muss schließlich auch mal über sich selbst lachen können!

Eine Frage konnte ich mir dann aber doch nicht verkneifen: „ Werde ich ganz allein für den Bereich verantwortlich sein?“ „ Mit Sicherheit nicht“, rief jemand unter erneutem Gelächter aus. „ Die Kekse werden schon auf dich aufpassen.“ „Wer?“ „ Na die Kekse, Memfis, MfS, Stasi, suche dir das passende aus.“

Die anderen Begriffe bezüglich des „ Bruderorgans“ waren mir selbstverständlich geläufig. Aber „Kekse“? Hauptmann Nebeling lieferte sogleich die Erklärung: „ die erste MfS-Dienststelle nach der Gründung dieses Ministeriums befand sich in einer früheren Keksfabrik. Daher werden die Genossen vom MfS hin und wieder als Kekse bezeichnet.“

Aha! Außerhalb des WKM habe ich diese ungewöhnliche Bezeichnung für die Staatssicherheit allerdings nie wieder gehört. Hier bekam die Redewendung „ jemanden auf den Keks gehen“, gleichmal eine völlig neue Bedeutung.

„ Und wenn wir schon mal beim Thema sind“, fuhr Nebeling fort, „ dass Kennwort für das Zusammenwirken zwischen den Kräften des WKM und denen des MfS lautet – Gleichklang-. Wenn ein Genosse der Staatssicherheit euch dieses Kennwort nennt, dann habt ihr ihn nach allen Kräften zu unterstützen. Ist das klar?“ Wir Neulinge nickten ergeben. „ Die Posten des WKM werden zuweilen aufgefordert, eine Person zu kontrollieren, die den Genossen vom MfS aufgefallen ist. Es wird euch sicher einleuchten, warum die Genossen die Person nicht selbst kontrollieren können.“

Klar doch, Genosse Hauptmann! Von wegen der Konspiration. Die Genossen vom MfS wollten schließlich nicht gleich als solche auffallen.

Ungeachtet dessen, herrschte zwischen den Posten des WKM und den ebenfalls im Umfeld diplomatischer Objekte eingesetzten Mitarbeitern der Staatssicherheit nicht immer „Gleichklang“. Die meisten WKM-Polizisten sahen in den „Unauffälligen“ eher so etwas wie ungeliebte Aufpasser. Beim abendlichen Bier hatte Krause in dieser Hinsicht einiges durchblicken lassen. „ Mit denen will ich nichts zu tun haben. Die gucken, horchen und greifen“, stellte Krause, im unnachahmlichem sächsischen Dialekt klar.

Ebenso wenig wie alle anderen ahnte der Oberwachtmeister nichts von den zu dieser Zeit gehegten Plänen, dass WKM künftig aus der Verantwortung der Volkspolizei herauszulösen und dem MfS direkt zu unterstellen. Dieser Plan wurde jedoch schnell wieder „ ad Acta gelegt“. Wahrscheinlich weil der Kaderbestand des WKM, nach den geltenden Richtlinien des MfS, kaum hätte in den Geheimdienst integriert werden können. Wie gesagt, davon ahnte 1985 niemand etwas.

Gruß an alle
Uwe


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18.02.2015 18:27 (zuletzt bearbeitet: 18.02.2015 18:28)
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#38
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Regina ( gelöscht )

Wieder ein toller Text, du hast ein tolles Gedächtnis, kann mir alles richtig vorstellen.
Mir ist auch klar das die Namen erfunden sind.
Ist der Name ,,Kekse,, auch erfunden?
tho.


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18.02.2015 18:29
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ABV ( gelöscht )

Nein, @Regina
im WKM wurden die MfS-Leute tatsächlich als " Kekse" bezeichnet. Ich hatte diese Bezeichnung nie zuvor und auch später nie wieder gehört. Auch die Aussage das sich die erste Stasi-Dienststelle in einer früheren Keksfabrik befand, habe ich noch nirgends bestätigt bekommen.

Viele Grüße aus dem Oderland
Uwe


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19.02.2015 20:11
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#40
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ABV ( gelöscht )

Fortsetzung

Der 11. Juni war ein ebenso schwüler wie feuchter Frühsommertag. Hauptmann Nebeling legte die einheitliche Anzugsordnung fest: Hose, Bluse, Schirmmütze. Dazu den grünen Regenmantel. „Das Scheißding lässt die Nässe weder herein noch heraus“, sagte mein Nebenmann vielsagend. Nebeling verkündete die einzelnen Sicherungsbereiche. Ein Mannschaftstransporter würde uns zur Protokollstrecke, in den Stadtbezirk Weißensee, bringen und die Einsatzkräfte in regelmäßigen Abständen dort absetzen.

Nach der nochmaligen Einweisung ging es zum Waffenempfang. Der „Spieß“ übergab mir eine „ Makarow“, die Standartpistole der VP, inklusive zweier Magazine, nebst der zugehörigen Munition. Das „Aufmumpeln“ genannte Befüllen der Magazine erwies sich als gar nicht so einfach. Vor allem wenn man wie ich, an die größere MPI-Munition gewöhnt ist.

Ein wichtiges Problem sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben-der obligatorische Toilettengang. Dem Problem „ im Ernstfall“ stundenlang nicht auf die Toilette zu können, sahen sich die WKM-Posten nicht nur im Sondereinsatz ausgesetzt. Vielmehr bestimmte dieses menschliche Grundbedürfnis nicht zuletzt auch den normalen täglichen Dienst. Auf Anraten verzichtete ich an diesem Morgen sogar auf den obligatorischen Kaffee.

Draußen wartete bereits, mit laufendem Motor und herabgelassener Heckklappe, ein grüner Mannschaftstransporter vom Typ „W50“. Wären die Anfangsbuchstaben VP an der Kennzeichentafel nicht gewesen, hätte man die Karre für ein Fahrzeug der Grenztruppen halten können.
„Achtung, in Reihe vor dem Fahrzeug antreten“, kommandierte Hauptmann Nebeling. Prüfend schritt der altgediente Offizier die Front ab, korrigierte hier und da die Anzugsordnung.

Nach einem kräftigen „ Ganze Abteilung kehrt, Aufsitzen!“, ging es endlich los. Ich konnte es kaum erwarten. Nach einer gewissen Zeit stoppte der LKW. Der erste Polizist sprang herunter. Weiter ging es. Wieder ein Zwischenhalt, an dem sich das Szenario wiederholte. Dann kam ich an die Reihe. Schwungvoll vom LKW kletternd, verließ ich die schützende Gemeinschaft.

Zuerst sondierte ich das Umfeld „meines Postenbereiches“. Parallel zur Fahrbahn verlief ein Fuß und Radweg. Mein Standplatz für die kommenden Stunden. Vor einer Bushaltestelle stand eine einzelne ältere Dame. Deren hellgrauer Mantel vor Nässe nur so triefte. Die Tropenluft erschwerte das Atmen. Bei jeder noch so kleinen Bewegung rannen mir salzige Sturzbäche den Rücken herunter. Bald klebte jede Faser des Uniformstoffs an meiner Haut. Jetzt bekam ich eine Ahnung was der erfahrene Polizist mit der Aussage „ der Mantel lässt Wasser weder herein noch heraus“, gemeint hatte. Atmungsaktiv war ein Wort das die Hersteller der ansonsten schmucken Uniform, offensichtlich nicht kannten.

Auf der feuchten Fahrbahn herrschte für hauptstädtische Verhältnisse relativ wenig Verkehr. Ab und an lief ein Fußgänger an mir vorbei. Schwungvoll steuerte jemand seinen Drahtesel über den Asphalt. Keiner schien Notiz von den überall verteilten Sicherungskräften zu nehmen. Wem wundert es? Uniformierte gehörten an der „ Protollstrecke“ zur Alltäglichkeit.

Nach und nach füllte sich der Gehweg mit sportlichen jungen Männern. Von denen offenbar jeder einzelne sowohl denselben Herrenausstatter als auch denselben Friseur bevorzugte. Die Bengels ähnelten einander wie ein Ei, oder wie man im WKM zu sagen pflegte, „ ein Keks dem anderen“. Schon von weitem identifizierte selbst mein in dieser Hinsicht noch ungeübtes Auge die gelangweilt herum stehender Truppe als Mitarbeiter der „Firma“. Möglicherweise gehörte es ja zum Einsatzkonzept, möglichst aufzufallen. Um potentiellen Störern die Anwesenheit des MfS zu signalisieren. Vielleicht war der wenig professionelle Aufzug auch nur der Tatsache geschuldet, dass es sich bei den Jungs nicht um „ Hauptamtliche Profis“, sondern lediglich um Wehrpflichtige aus dem Wachregiment „ Felix Dzierzynski“ handelte.

Die Arme auf dem Rücken verschränkt, wanderte ich an der Straße auf und ab. Ich fühlte mich in meiner Uniform, die Pistole an der Seite spürend, unendlich stolz. Als mir eine Kindergartengruppe vom gegenüberliegenden Gehweg aus zuwinkte und ein kleiner Junge, „ Hallo, Onkel Volkspolizist“ krähte, wäre ich beinahe „ geplatzt“. Schade, dass mich jetzt keiner meiner Bekannten sehen kann, dachte ich verzückt.

Plötzlich hielt ein LKW vor mir am Straßenrand. Sichtlich genervt kurbelte der Fahrer, ein rotgesichtiger korpulenter Mann mittleren Alters, die Scheibe herunter. „ Guten Tag, Herr Wachtmeister“, grüßte er mich freundlich, „ Sie sind meine letzte Rettung. Seit Stunden kurve ich hier schon herum, finde aber den Weg zur Markthalle nicht. Dort wartet man sicher schon dringend auf meine Gemüselieferung. Wie komme ich denn dorthin?“ Markthalle? Davon hatte ich schon mal etwas gehört. „ Ja, ähm die ist in der Nähe des Alexanderplatzes“, stammelte ich, von der Frage völlig überrumpelt. „ Ach, nee. Das weiß ich selber Genosse“, erwiderte der sich offenbar „ Verscheissert“ vorkommende Kraftfahrer sarkastisch. „ Ich habe nicht gefragt wo sich die Markthalle befindet, sondern wie ich dorthin hin finde. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.“

Ratlos hob ich die Schultern. „ Tut mir leid, aber ich bin nicht von hier“, entfuhr mir die aus meiner Sicht einzig mögliche, wenn gleich denkbar blödeste Antwort. „ Dort drüben stehen noch mehr von uns. Die Genossen kennen sich hier besser aus“, versuchte ich die peinliche Situation doch noch zu retten. Dem ohnehin schwer „ angefressenen“ Lastwagenfahrer platzte endgültig der Kragen: „ Die VP dein Freund und Helfer, von wegen.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, fuhr er, eine stinkende blaue Wolke hinterlassend, davon.

Oh Gott, Uwe. Das hast du wohl gründlich vermasselt, ging ich mit mir selbst ins Gericht. Wenigstens hatte mich der Vorfall wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und eine Uniform noch keinen Polizisten. Schmerzlich wurde mir bewusst, dass mir beinahe das komplette Rüstzeug für den verantwortungsvollen Beruf fehlte. Rüstzeug, das ich als „blutiger Anfänger“ naturgemäß noch gar nicht haben konnte. Wenn Nebeling Recht behält, dann würde mein Dienstanfängerlehrgang an der VP-Schule Neustrelitz in einem Monat beginnen. Dann, eine erfolgreiche Absolvierung vorausgesetzt, würde sich herausstellen ob ich das Zeug zu einem Polizisten habe.

Bei diesem Gedanken wurde mir etwas flau im Magen. Unvorstellbar die Blamage, wenn ich, wegen einer nicht bestandenen Prüfung, im kommenden Jahr wieder vor dem Tor des „ VEB Binnenfischerei Altfriedland“ stehe. Spontan entschloss ich mich, von diesem Tag an jeden Abend zu joggen. Mindestens drei Kilometer. Sport gehörte an der VP-Schule zu den Hürden, an denen immer wieder Bewerber scheiterten, wie mir Krause verraten hatte.

Einstweilen konzentrierte ich mich jedoch auf meine Aufgabe. Irgendwann rollte das Ankündigungsfahrzeug vorbei. Dem im Abstand weniger Minuten die anderen, mit Personenschützern des MfS besetzten Karossen folgten.

Endlich erschien die gepanzerte Volvo-Flotte, in deren Innern ich den Genossen Honecker nebst dessen hochrangigen französischen Gast, vermutete. Nervös, voller Hektik, sah ich mich um. Außer mir und den MfS-Jünglingen lungerte niemand in der Nähe der Fahrbahn herum. Eine halbe Drehung vollziehend, schaute ich wieder auf die Straße. Sekunden kehrte wieder Ruhe ein. Blitzschnell raste die Flotte an den Absperrposten vorbei. Von den Politikern nahm ich gerade mal ein Bein wahr. Keine Ahnung, ob dieses Bein dem Genossen Honecker, dem Herrn Fabius oder einem Personenschützer gehörte.

Erleichtert atmete ich auf. Mein erster „operativer Einsatz“ lag nun hinter mir. Oder besser gesagt, er lag fast hinter mir. Denn noch lagen zwei Stunden „ Nachsicherung“ vor mir. Worin der Sinn dieser Aktion lag, lässt sich wohl nur erraten.
Entspannt lehnte ich mich an einen Laternenmast, gönnte mir eine Zigarette. „ Genosse, wie stehen Sie denn da? Wer hat ihnen erlaubt zu rauchen?“, rüffelte mich unvermittelt eine dunkle Frauenstimme. Verdutzt schaute ich mich um. Hinter mir stand ein weiblicher VP-Unterleutnant. Keine Ahnung, wo die Dame so plötzlich herkam.

„ Unterleutnant Kaiser, VPI Weißensee“, stellte sich die schneidige Frau vor. „ Und wer sind Sie?“ „Wachtmeister Bräuning, WKM.“ „ WKM, aha. Stellen Sie sich gefälligst gerade hin.“

Diese Aufforderung löste in meinem Inneren ein mittelschweres Erdbeben an. Während meiner Zeit bei der Armee wäre es keinem echten Soldaten auch nur im Traum eingefallen, vor einem Unterleutnant „Stramm zu stehen“. Schon gar nicht, wenn es sich um einen weiblichen Unterleutnant handelte. Zumal weibliche Offiziere bei der NVA oder den Grenztruppen zu den absoluten Ausnahmen zählten. Aber ich war nun einmal kein Soldat mehr. Bei der Volkspolizei galten andere Regeln.

Widerwillig löschte ich die gerade angerauchte Zigarette und baute ich mich vor der Genossin Unterleutnant auf. „ Geht doch, Genosse“, stellte diese süffisant fest, ehe sie endlich weiterging. Ob mich die biestige Frau Unterleutnant wohl meinen Vorgesetzten melden würde? , grübelte ich in Gedanken.

Zurück in Kaulsdorf, erwartete ich ein kräftiges Donnerwetter. Nichts dergleichen geschah. Auch an den darauffolgenden Tagen nicht. Ich nutzte die Gelegenheit, um endgültig das Rauchen aufzugeben. Noch einen Anpfiff konnte ich mir schließlich nicht leisten. Außerdem erhöhte der Verzicht auf Zigaretten meine Chancen die Sportprüfung an der VP-Schule zu bestehen, um ein Vielfaches. So hoffte ich jedenfalls!

Gruß an alle
Uwe


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19.02.2015 21:21
avatar  Lutze
#41
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an ein paar DIXI-Häuschen hätte man auch denken können,
bist du Genossin Unterleutnant noch mal begegnet?
Lutze

wer kämpft kann verlieren,
wer nicht kämpft hat schon verloren


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19.02.2015 21:35
avatar  icke46
#42
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Apropos DIXI-Häuschen - gabs so was ähnliches eigentlich in der DDR?

Ich meine, Toilettenwagen bei Grossveranstaltungen, das kann ich mir vorstellen - aber Dixi-Klos?

Gruss

icke


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19.02.2015 21:40
avatar  Lutze
#43
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Zitat von icke46 im Beitrag #42
Apropos DIXI-Häuschen - gabs so was ähnliches eigentlich in der DDR?

Ich meine, Toilettenwagen bei Grossveranstaltungen, das kann ich mir vorstellen - aber Dixi-Klos?

Gruss

icke



oder nannte man die Herz-Häuschen ?
Lutze

wer kämpft kann verlieren,
wer nicht kämpft hat schon verloren


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20.02.2015 11:35
avatar  Zkom IV ( gelöscht )
#44
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Zkom IV ( gelöscht )

Hi Uwe,

also Deine Erzählungen sind mal wieder Klasse.
Dabei konnte ich auch wieder feststellen, wie ähnlich sich die Tätigkeiten so gestaltet haben, egal ob West oder Ost.

Staatsbesuche haben wir als Alarmhundertschaft auch oft begleiten müssen. Der Ablauf solch eines Einsatzes gleicht bis aufs Kleinste , dem, was Du beschrieben hast.
Stundenlanges Warten für eine Vorbeifahrt von handgestoppten 2 Sek.

Beim Besuch eines US Präsidenten, glaube es war Bush jr., haben wir sogar die Dachböden der Einflugschneise in Tegel, absuchen dürfen.
Also meistens ein recht öder Job.

Die Frage, ob Du Frau Unterleutnant nochmal getroffen hast, würde mich auch interessieren.
Bestimmt sitzt die Dame heute als EPHK'in beim Stab des Präsidenten am Platz der Luftbrücke.

Freu mich auf die nächsten Fortsetzungen.

Gruß Frank


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20.02.2015 12:25
avatar  ✝thomas 48 ( gelöscht )
#45
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✝thomas 48 ( gelöscht )

Hallo Frank
Ich war viele Jahre Mitglied einer CDU Ordnergruppe. Wir standen vor den Türen von Sitzungen oder haben am Rand von Herrn Kohl, Vogel usw. gestanden


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