Der 04. November 1989 - Demo auf dem Alex

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04.11.2014 11:34
#16
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In der DDR gings nun weißgott nicht ums Brot, auch nicht um die oft zitierte Banane.

"Zuerst kommt das Fressen" war bis zuletzt garantiert.

Disziplin ist die Fähigkeit, dümmer zu erscheinen als der Chef. (Hanns Schwarz)


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04.11.2014 11:41 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 11:44)
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#17
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Ach Gott ,

ich hätte Brot wohl zwischen Gänsefüßchen setzten sollen.

sorry


Brot steht hier natürlich stellvertretend für "frische Luft" , Meinungsfreiheit usw. usw.


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04.11.2014 11:47 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 11:57)
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#18
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Es war nicht meine Demo @Rainman2

Seit den Ereignissen um die Gethsemanekirche waren gerade mal 4 Wochen vergangen. Aus Angst und Hoffnung nach dem Erlebten wurde Fassungslosigkeit und Wut. Im Freundeskreis kursierten die ersten Gedächtnisprotokolle. Diese unsägliche Rede von Krenz hat viele nur noch ein müdes Lächeln gekostet. Irgendwann danach wurde der erste Entwurf des Reisegesetzes veröffentlicht - ein misslungener Versuch die Wogen zu glätten. Die Menschen waren schon viel weiter.

In meinem Betrieb versuchten viele sich jetzt öffentlich zu orientieren. Doch wohin? Neues Forum oder SDP? Die ersten basisdemokratischen Pflänzchen wurden im Keim erstickt, als sich der BGL-er und der Parteisekretär an die Spitze der Diskussion stellten. In Lohnbuchhaltung wurde diskutiert, ob Arbeitsniederlegungen und Streiks als Arbeitszeit gewertet werden sollen.

Daher war die Demo am 4.11. in meiner Wahrnehmung ein organisiertes Druckablassen aus dem Kessel. Ich hatte damals keine Angst vor der Gewalt der Sicherheitskräfte, sondern vor der Gewalt einzelner Demonstranten.

An die Reden im Detail kann ich mich nicht erinnern. Nur an die Körperhaltung von Schabowski. Eine Hand in der Hosentasche trat er vor die Menschen. Ich habe das damals als ziemlich arrogant empfunden. Die demonstrative Lässigkeit in seiner Körprhaltung widersprach vollkommen meiner Vorstellung über den schweren Weg, der vor den Menschen lag.

Ich war auch fassungslos über die Menschenmassen in Berlin. Am liebsten hätte ich jeden einzelnen gefragt - Wo wart ihr in den Jahren davor? Und es beschlich mich eine große Traurigreit.

LG von der Moskwitschka


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04.11.2014 12:38
#19
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Hallo Moskwitschka,

es war schon ein Unterschied, aus welcher Richtung man damals mit diesem Ereignis konfrontiert wurde. Ich saß damals in Leipzig zuhause am Fernseher, wartete auf einen weiblichen Gast meiner Geburtstagsfete und sah die Demonstration, sah in den Bildern sogar Studienkollegen im Publikum und ich hörte die Reden. Damals machte mir die Rede von Steffie Spira fast schon Angst. Ich begriff noch nicht, dass ich schon fühlte, dass bald kein Hund mehr von mir ein Stück Brot (politisch gesprochen) nehmen würde. In diesem Moment war mir die ausgestreckte Hand von Heym und Schorlemmer lieber, als das Abgewatschtwerden von Steffie Spira.

Für mich war es eine Entwicklung, für Dich vielleicht sogar ein Rückschritt. Den Auftritt von Schabowski sah ich damals mit sehr gemischten Gefühlen. Ich hatte ihn noch aus seinem Auftritt Wochen zuvor bei uns im Ohr. Da quälte sich einer zu einer neuen Überzeugung. Allerdings hatte ich damals durchaus Respekt, dass er sich stellte und dachte mir bei den Pfiffen und Buhrufen: "Lasst ihn doch ausreden". Heute höre ich diese Reden auch anders ...

ciao Rainman

"Ein gutes Volk, mein Volk. Nur die Leute sind schlecht bis ins Mark."
(aus: "Wer reißt denn gleich vor'm Teufel aus", DEFA 1977)


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04.11.2014 12:47
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#20
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Zitat von Rainman2 im Beitrag #19
Hallo Moskwitschka,

[...]
Ich begriff noch nicht, dass ich schon fühlte, dass bald kein Hund mehr von mir ein Stück Brot (politisch gesprochen) nehmen würde. In diesem Moment war mir die ausgestreckte Hand von Heym und Schorlemmer lieber, als das Abgewatschtwerden von Steffie Spira.

[...]

ciao Rainman


Guten Tag,

Ich nehme an, das Wort «Abgewatschtwerden» steht im weiten Sinn für Ausgrenzung.

Trotz dieses unbekannten Wortes für mich, meine ich Dich verstanden zu haben. Ich habe es mit grosser Achtung gelesen. Ich hoffe, dass Du Deinen Platz gefunden hast in diesem geeinten Land.

Stringer49


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04.11.2014 12:59
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#21
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Viele haben damals vom Wunder der Wende gesprochen. Ich konnte nie damit etwas anfangen. Heute 25 Jahre später ist es für mich ein wie ein kleines Wunder @Rainman2 , dass Menschen wie Du und ich aufeinander zu gegangen und Freunde geworden sind. Na gut ein Wunder auch nicht, denn es war harte Arbeit - von Dir und auch von mir. Ein kleiner Glücksmoment nach 25 Jahren.

LG von der Moskwitschka


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04.11.2014 14:35
#22
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Zitat von Stringer49 im Beitrag #20
Zitat von Rainman2 im Beitrag #19
Hallo Moskwitschka,

[...]
Ich begriff noch nicht, dass ich schon fühlte, dass bald kein Hund mehr von mir ein Stück Brot (politisch gesprochen) nehmen würde. In diesem Moment war mir die ausgestreckte Hand von Heym und Schorlemmer lieber, als das Abgewatschtwerden von Steffie Spira.

[...]

ciao Rainman


Guten Tag,

Ich nehme an, das Wort «Abgewatschtwerden» steht im weiten Sinn für Ausgrenzung.

Trotz dieses unbekannten Wortes für mich, meine ich Dich verstanden zu haben. Ich habe es mit grosser Achtung gelesen. Ich hoffe, dass Du Deinen Platz gefunden hast in diesem geeinten Land.

Stringer49

Abgewatscht - vom bayerischen "A Watsch'n" - Eine Ohrfeige
Das Abgewatschtwerden - also Geohrfeigt werden, aber eben durch den Dialekt nicht ganz so hart.

Und Steffie Spira hat uns (im Sinne von meinem Klientel) verbal eine schallende Ohrfeige verpasst.

ciao Rainman

"Ein gutes Volk, mein Volk. Nur die Leute sind schlecht bis ins Mark."
(aus: "Wer reißt denn gleich vor'm Teufel aus", DEFA 1977)


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04.11.2014 15:08 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 15:09)
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#23
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Ich hatte ganz normalen Dienst in der Betriebsfeuerwehr, seit dem 5. Oktober 1989 waren immer einige Kameraden zum 12-Stunden-Dienst eingeteilt. Ab 18:00 Uhr war dann auch der DvD (Direktor vom Dienst) im Betrieb. Es wurde extra ein Raum mit Bett dafür eingerichtet.

Das Radio lief den ganzen Tag und informierte uns über die Demo. Ich hatte den Eindruck, dass auch unsere Medien nun umschwenkten und endlich begannen objektiv und sachlich zu berichten. Die Menschen auf dem Alex zeigten ein neues Gesicht, nichts wurde mehr hinter vorgehaltener Hand geflüstert. Das war nun endgültig vorbei. Man sprach nun laut aus was man fühlte und dabei wurde nicht mit Humor gespart, was für mich ganz wichtig war.


Die Menschen aus der DDR gaben sich selbst wieder eine Stimme, eine gemeinsame Sprache hatten sie bereits in den Tagen vorher gefunden.


Mir sind nicht alle Redner und deren Ausführungen in Erinnerung geblieben, aber wohl die Reden von Markus Wolf und Günter Schabowski. Denn diese Leute hatten den A.... in der Hose und haben sich vor das Volk gestellt und gesagt: "Hier sind wir." Auch das werde ich wohl nie vergessen!

Gruß Reiner


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04.11.2014 15:24
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#24
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mir hat die Rede von Stefan Heym sehr gut gefallen. Die Sprachlosigkeit wurde überwunden und die Menschen lernten den aufrechten Gang


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04.11.2014 15:27
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#25
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Der viel gescholltene Schabowski, war einer der Wenigen, die diesen Schneid hatten und sich vor das Volk stellten.
In den Kreisen der DDR ließen sich die SED Funktionäre und MA der Einrichtungen des MfS und der VP in der Öffentlichkeit nicht mehr blicken.
Die Busse und Bahnen , die sie in die Kreisstädte zu ihren Dienststellen brachten blieben plötzlich leer, denn sie zogen es vor, dem Volk aus dem Weg zu gehen und fortan mit dem eigenen Auto zur Dienststelle zu fahren.
Auch auf den zahllosen Versammlungen der Bevölkerung in Kirchen und Gemeindehäusern der Städte und Dörfer ließ sich damals kaum ein SED Funktionär blicken.
Statt dessen mobilisierte man anlässlich angekündigter Versammlungen heimlich die letzten Getreuen der Kampfgruppen um gegen die Konterrevolutionäre gewappnet zu sein.


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04.11.2014 15:38
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#26
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ABV

Zitat von schnatterinchen im Beitrag #25
Der viel gescholltene Schabowski, war einer der Wenigen, die diesen Schneid hatten und sich vor das Volk stellten.
In den Kreisen der DDR ließen sich die SED Funktionäre und MA der Einrichtungen des MfS und der VP in der Öffentlichkeit nicht mehr blicken.
Die Busse und Bahnen , die sie in die Kreisstädte zu ihren Dienststellen brachten blieben plötzlich leer, denn sie zogen es vor, dem Volk aus dem Weg zu gehen und fortan mit dem eigenen Auto zur Dienststelle zu fahren.
Auch auf den zahllosen Versammlungen der Bevölkerung in Kirchen und Gemeindehäusern der Städte und Dörfer ließ sich damals kaum ein SED Funktionär blicken.
Statt dessen mobilisierte man anlässlich angekündigter Versammlungen heimlich die letzten Getreuen der Kampfgruppen um gegen die Konterrevolutionäre gewappnet zu sein.


Schabowski kann man so oder so sehen. Eine Frau, die ihn von früher her kennt und in der heutigen Zeit bei einer Veranstaltung erlebte, hat ihn folgendermaßen charakterisiert: " Schabowski bekämpft den Kommunismus heute mit dem selben Fanatismus, mit dem er ihn einst verteidigte."
Meiner Meinung nach hat sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen!
Ich kann mich auch an eine Sendung aus dem Jahre 1994 oder 95 erinnern. In der Sendung, sie lief sehr spät in der ARD, ging es um die Vorbereitung der Anklagen gegen Schabowski und Co wegen ihrer Verantwortung an den " Mauertoten".
Schabowski hatte in dieser Sendung eigene Verantwortung vehement von sich gewiesen. Und unter Zuhilfenahme von vielen Worten und Gesten dem Zuschauer erklärt, warum er überhaupt nicht Schuld sein kann! Einsicht zeigte er erst während des Prozesses. Als sie ihm etliche Jahre Knast ersparte.
Ich persönlich halte von diesem Mann gar nichts!

Gruß Uwe

04.11.2014 16:33
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#27
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Ja der Schabowski, war ja durchaus als "Honecker- Nachfolger" im Gespräch, möglicherweise wäre er die "intelligentere" Lösung gegenüber Krenz, wortgewandt rhetorisch geschult mit einem Hang zur Selbstdarstellung. Mit einem Wort - Politrampensau. Der Kronprinz war ja durchaus offen für die "chinesische Lösung", nur das die Soldaten en masse den Gehorsam verweigert hätten, wären Panzer zur Niederschlagung der demokratischen Umwälzung aufgefahren.
Schabowskis Versprecher vom 09. 11. 1989 zeigt wohl den ganzen desaströsen Zustand der SED- Parteiführung. Gysis Verdienst lag wohl darin, daß er aus einer verknöcherten "sozialistischen" Kaderpartei eine moderne linkslastige "sozialdemokratische" Partei formte. Seinen persönlichen Dreck den er mit möglichen Mandantenverrat am Stecken hatte, lasse ich hier und heute ausnahmsweise außen vor, zumal ja auch für ihn die Unschuldsvermutung gilt.

Gruß Hartmut!


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04.11.2014 16:40 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 16:49)
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#28
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Zitat von schnatterinchen im Beitrag #25
Der viel gescholltene Schabowski, war einer der Wenigen, die diesen Schneid hatten und sich vor das Volk stellten.
In den Kreisen der DDR ließen sich die SED Funktionäre und MA der Einrichtungen des MfS und der VP in der Öffentlichkeit nicht mehr blicken.
Die Busse und Bahnen , die sie in die Kreisstädte zu ihren Dienststellen brachten blieben plötzlich leer, denn sie zogen es vor, dem Volk aus dem Weg zu gehen und fortan mit dem eigenen Auto zur Dienststelle zu fahren.
Auch auf den zahllosen Versammlungen der Bevölkerung in Kirchen und Gemeindehäusern der Städte und Dörfer ließ sich damals kaum ein SED Funktionär blicken.
Statt dessen mobilisierte man anlässlich angekündigter Versammlungen heimlich die letzten Getreuen der Kampfgruppen um gegen die Konterrevolutionäre gewappnet zu sein.


OT - Jetzt muß ich aber kräftig lachen. Also, ich bin noch jeden Tag mit dem Berufsverkehr zur Arbeit gefahren und die Busse waren voll, ich habe mein Mittagessen in der Zentralküche zur gewohnten Zeit eingenommen im Beisein von Hunderten von Werktätigen, in der Kaufhalle eingekauft wie jeder normale Mitbürger auch usw. usf.. Ich musste mich nicht verstecken - warum auch.
Bei den Montagsdemos die in unserer Stadt sehr, sehr spät erfolgten, stand ich mit auf dem Podium, mich konnte jeder Demonstrant somit auch sehen. Habe auch keine Tarnkappe, wie Alberich besessen, weil sie auch nicht nötig war.
Und bei den Kampfgruppen, da scheinst Du @schnatterinchen, wahrlich nicht im Bilde gewesen zu sein und liegst auch hier mit Deiner Aussage wiederum völlig daneben.

Vierkrug


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04.11.2014 17:01 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 17:04)
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Schön wenn Du das so lustig findest.Ich habe mir das nicht aus den Fingern gesogen.
Was ich geschrieben habe, hat sich genau so zugetragen und die SED Kader des Kreises haben damals in der Bevölkerung den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielt.


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04.11.2014 17:03 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2014 17:06)
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#30
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@utkieker - Hartmut, die chinesische Lösung stand zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion und auch nicht zur Debatte, wie auch nicht die Berufung Schabowski´s in noch höhere Ebenen der Partei.

@ABV - Uwe, die Bekannte hat Schabowski richtig eingeschätzt, der sich dann später auch als Irrläufer outete - er war über 40 Jahre der falschen Ideologie gefolgt, wie einer der Jünger beim Abendmahl. Den empfangenen Judaslohn konnte dieser dann auch nicht geniessen, vielleicht bessert der von der Schabe noch seine Rente etwas auf.

Vierkrug


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