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Die Geschichte(n) der Wende

Hallo Freunde!
Fünfundzwanzig Jahre ist es nun her, dass die politische Wende in der DDR nicht nur das politische und geographische Antlitz Deutschlands, sondern Millionen von Biographien nachhaltig veränderte.
Fünfundzwanzig Jahre, ein Vierteljahrhundert, quasi eine halbe Ewigkeit. Und doch ist es für mich so, als wäre das ganze erst gestern geschehen.
Ich habe diesen Thread eröffnet mit der Bitte, dass er von euch mit euren ganz persönlichen Wende-Geschichten befüllt wird. Jeder von uns hat diese Zeit auf verschiedenen Positionen erlebt. Der eine als DDR-Passkontrolleur. Der andere als Bundesgrenzschützer. Wieder andere als MfS-Mitarbeiter oder Volkspolizisten. Oder auf Seiten der Demonstranten. Nicht wenige haben die Wende-Ereignisse, manchmal ungläubig staunend, in banger Furcht oder vor Freude heulend, im Sessel vor dem Fernseher erlebt.
Egal! Jeder einzelne von uns, der diese spannende Zeit bewusst miterlebt hat, verbindet doch damit ein bestimmtes Ereignis. Das ihn noch beschäftigt.
Also Leute, haut in die Tasten! Damit die Wende-Zeit, passend zum Jubiläum, für alle jene unter uns welche diese wichtige Phase in der deutschen Geschichte nicht bewusst miterleben konnten.
Jede einzelne Geschichte ist ein Mosaikstein. Aus dem sich dann ein buntes Gesamtbild ergibt.
Viele Grüße an alle
Uwe

Das ist meine ganz persönliche Wende-Geschichte. Sie handelt von einem eher unfreiwilligen, noch dazu verbotenen Überquerung der Staatsgrenze zwischen der DDR und Polen, im Oktober 1989. Damals war zur Verstärkung der Grenztruppen an der Oder bei (Küstrin)-Kietz eingesetzt.. An einem herrlichen Nachmittag Ende Oktober 1989, erlebte ich eine Grenzerfahrung der besonderen Art.........
Während eines Streifengangs in Kietz, lernte ich kurz darauf, einen im Bereich des Bahnhofes eingesetzten Oberleutnant der Transportpolizei kennen. Der blau uniformierte Kollege langweilte sich fürchterlich auf seinem Posten im Stellwerk. Den er so oft es ging verließ. Ich traf ihn zum ersten Mal direkt am Bahnübergang. Unterhielten uns über dieses und jenes, wobei wir schnell eine Gemeinsamkeit entdeckten: das Interesse an der regionalen Geschichte. Wobei sich der Oberleutnant als „ wandelndes Geschichtsbuch“ entpuppte. Besonders was die Stadt Küstrin anging. Aus offiziell zugänglichen Quellen stammte sein Wissen sicher nicht. Die DDR hielt sich, in allem was den „verlorenen Deutschen Osten“ betraf, absolut bedeckt. Nach eigenem Bekunden stammte der Oberleutnant aus der Umgebung von Kietz. Sein Großvater hatte ihm viel von Küstrin erzählt. Schwer vorstellbar, dass wir uns genaugenommen Mitten in dieser Stadt befanden.
„ Möchtest du mich auf einem Kontrollgang über die Eisenbahnbrücke begleiten? Ich habe von meinem ODH den Auftrag bekommen, dort nach dem Rechten zu sehen. In der vergangenen Nacht hat es dort wohl wieder mal jemand versucht. Dann brauche ich wenigstens nicht alleine über die Gleise zu turnen.“
Mit dieser Bitte rannte der blau uniformierte Oberleutnant, die Transportpolizei trug im Gegensatz zur „normalen“ Volkspolizei blaue Uniformen, bei mir gewissermaßen offene Türen ein. Meine vor Freude leuchtenden Augen waren wohl Antwort genug. Die Eisenbahnbrücke befindet sich bekanntlich auf der östlichen Seite der Oderinsel. Unverhofft eröffnete sich für mich die Gelegenheit, dieses ebenso interessante, wie absolut verbotene Terrain zu betreten. Wer schlägt schon solch eine Möglichkeit aus? Bedenken hatte ich trotzdem: „ Hoffentlich kommt uns nicht gerade ein Zug entgegen.“ Lachend versuchte der Oberleutnant meine Ängste zu zerstreuen. „ Ich habe mich im Stellwerk erkundigt. In der nächsten Stunde rollt kein einziger Zug über die Oder. Wem, wenn nicht mir, einen Offizier der Transportpolizei, kannst du in dieser Hinsicht mehr vertrauen?“ Bei diesen Worten schlug sich mein Begleiter grinsend an die Brust.
Zuerst überquerten wir die Eisenbahnbrücke über den Vorflutkanal. Nach wenigen Metern waren wir bereits in der Sperrzone angekommen. Neugierig griff ich zum Fernglas. Zum ersten Mal sah ich die altehrwürdigen, aus der Kaiserzeit stammende Artilleriekaserne vor mir. Einer meiner meiner Großonkel hatte hier Anfang der vierziger Jahre als Berufssoldat gedient. Ich erzählte meinen Begleiter davon. „ Dann hat dein Verwandter im I./ Artillerieregiment Nummer 39 gedient“, sprudelte es wie aus der Pistole geschossen, aus seinem Mund. „ Ja, wenn du es sagst...“, erwiderte ich verblüfft. So viel Detailkenntnis hätte ich nicht erwartet.
Vor der Kaserne marschierte eine Gruppe Sowjetsoldaten, die Schiffchen lässig in den Nacken geschoben, die Straße entlang. Zwischen den Gleisen und den Kasernen befand sich ein Sportplatz. Auf dem andere Soldaten unter der Anleitung eines Offiziers, Sportübungen absolvierten.
„ Lebt dein Großonkel noch?“, fragte der Oberleutnant. „ Ja, warum?“ „ Dann kannst du ihm ja berichten, dass du seine Kaserne aus der Nähe gesehen hast.“ Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. „ Daraus wird wohl nichts. Der alte Herr lebt seit einiger Zeit bei seinem Sohn im Westen“, bedauerte ich. Für mich war er damit tabu. Nicht, weil ich ihn nicht leiden konnte. Oder weil ich es mir so ausgesucht hatte. Sondern, weil es die Dienstvorschrift nun einmal verlangte, dass Volkspolizisten keine privaten Beziehungen zu Bundesbürgern unterhalten.
Es könnte ja sein, dass der gute Großonkel inzwischen vom Bundesnachrichtendienst angeworben und speziell auf mich angesetzt wurde. Was natürlich absoluter Schwachsinn war. Aber solche schwachsinnigen Vorschriften bestimmten damals mein Leben.
Ohne weiter auf dieses Thema einzugehen, setzten wir den Patrouillengang fort. Zeitweise fühlte ich mich wie ein in unbekannte Welten vorstoßender Entdecker. Oder ein Trapper, in Mitten feindlicher Indianer. Der Oberleutnant machte mich auf einzeln stehendes Gebäude, in unmittelbarer Gleisnähe, aufmerksam:
„ Das war mal der Bahnhof Küstrin-Altstadt. Die Russen haben daraus eine Art „ Med-Punkt“ gemacht. Ich könnte mich jedes Mal aufregen, wenn ich sehe wie heruntergekommen der Bahnhof heute ist.“ Verwirrt fragte ich noch einmal nach: „ Wieso Küstrin-Altstadt? Sind wir hier nicht mehr in Kietz?“ Mein damaliges Wissen über Küstrin darf getrost als mangelhaft bezeichnet werden. Aber zum Glück gab es ja den Oberleutnant: „ Kietz oder Küstrin-Kietz wie der Ort bis 1945 hieß, liegt westlich des Oderdammes. Ab der Vorflutbrücke beginnt bereits die Altstadt von Küstrin.“
Hinter dem zum Med-Punkt umfunktionierten Bahnhofsgebäude, tauchte die Eisenbahnbrücke in unserem Blickfeld auf. Ein durchaus imposanter Anblick. Eine mächtige Stahlgitterkonstruktion umschloss beidseitig das Bauwerk. Davor ein Grenzpfosten mit dem Staatswappen der DDR. Neben der Brücke entdeckte ich eine Art Beobachtungsbunker. Denen an der Westgrenze nicht unähnlich. Dem maroden Zustand des Bunkers nach zu urteilen, war dieser bereits seit längerem nicht mehr benutzt worden.
„ Wenn das mit den illegalen Grenzübertritten so weitergeht, wird hier bald wieder ein Grenzposten hocken“, meinte ich. „ Ich hoffe bloß, dass unsere Regierung das Problem endlich in den Griff bekommt.“ Der Oberleutnant wandte sich um und erwiderte: „ Solange sich bei uns nichts grundlegendes ändert, werden die Leute weiter das Land verlassen. Ich für meinen Teil hoffe, dass die da oben sich endlich fragen, warum die Leute abhauen. Und wie sie die Unzufriedenen weiter im Lande behalten können. Ich bezweifele jedoch, dass Krenz dafür der richtige Mann ist. Der ist doch auch nicht viel klüger als Honecker!“
Der Oberleutnant überraschte mich immer mehr. Ich hörte nicht zum ersten Mal, dass sich in der DDR dringend etwas ändern musste. Innerlich teilten auch viele Volkspolizisten diese Auffassung. Aber das ein mir eigentlich fremder Offizier sich so offen zu Veränderungen bekannte, stellte nun doch ein Novum dar.
Weiter südlich, zog sich eine weitere Brücke über den träge dahinfließenden Oderstrom. Auf der DDR-Seite wurde diese Brücke ebenfalls von einer mächtigen Stahlgitterkonstruktion umfasst. Direkt davor hielt ein bewaffneter Sowjetsoldat einsam Wache. Scharen von Wildgänsen flogen in der typischen Formation hinüber ans polnische Ufer. Nur die Tiere allein besaßen das Privileg, ungehindert diese Grenze zu passieren. Östlich unseres Standpunktes erhoben sich die Wälle der ehemaligen Festung Küstrin. Greifbar im Okular des Fernglases. Und doch für jemanden wie mich unerreichbar weit weg.
Der Oberleutnant ging festen Schrittes voran. Und ich immer hinterher. „ Kannst du dir vorstellen, dass über die Brücke da drüben, früher Straßenbahnen fuhren? Direkt vom Bahnhof Küstrin-Neustadt bis zum Bahnhof Kietz. Autos und Pferdekutschen haben diese Brücke ebenfalls benutzt. Und jetzt? Jetzt fahren höchstens mal ein paar Miltärtransporte darüber. Ansonsten herrscht das ganze Jahr über Grabesstille.“
Über was sich der Oberleutnant so den Kopf zerbrach. Er redete und redete. Mir fiel ein, dass die Grenze zwischen der DDR und Polen, irgendwo in der Mitte des Stromes verlief. Hatten wir diese nicht längst erreicht? Offenbar nicht, denn der ortskundige Transportpolizist lief unbeirrt, munter schwatzend, weiter. „ Ich fürchte wir sind bald in Polen“, unkte ich so laut, dass der Oberleutnant seine Konversation unterbrach. „ Was heißt bald? Wir sind bereits in Polen“, verkündete er grinsend. So als wäre es völlig normal, dass zwei Volkspolizisten, mal eben so eine Staatsgrenze überschritten. Durch meinen Kopf schwirrten tausend Gedanken? Wollte der Oberleutnant etwa auch in Richtung Warschau verschwinden? Und mich zwingen mitzukommen. So etwas kennt man ja aus diversen Romanen. Von der bundesdeutschen Botschaft in Warschau trennten uns jedoch noch über fünfhundert Kilometer. Ein ziemlich weiter Weg. Noch dazu in dieser auffälligen Kluft. Was zum Teufel will dieser Trottel sonst in Polen?
Auf der polnischen Seite wurde die Eisenbahnbrücke von einem Grenzsoldaten bewacht. Dieser beäugte uns bereits seit einiger Zeit durch sein Fernglas. Unruhig lief er, dass Dienstfernglas an die Augen gepresst, vor einem in den polnischen Landesfarben gehaltenen Schilderhaus auf und ab. Der Anblick zweier sich unbeirrt nähernden Uniformierten, irritierte den an solche Anblicke nicht gewohnten Grenzwächter. An seiner linken Schulter baumelte ein Handfunksprechgerät. Denen bei der Volkspolizei nicht unähnlich. Reflexartig nahm er das Gerät in die Hand. In dem Moment als der Posten den „ ungesetzlichen Grenzübertritt“ melden wollte, hob der Oberleutnant grüßend die Hand. Sichtlich irritiert, erwiderte der Pole den Gruß. Der Oberleutnant vollführte eine halbe Drehung nach links. Um nun endlich wieder in Richtung DDR zurückzukehren. Wohlgemerkt, wir sprechen hier lediglich von einer Distanz weniger Meter. Die mir jedoch unendlich lang erschienen. Ein paar Schritte und schon hatten wir die unsichtbare Staatsgrenze erneut überschritten.
Diesmal jedoch in die richtige Richtung.
In meinem Inneren tobte ein regelrechter „ Gefühlstornado“. Wir hatten soeben einen
„ illegalen Grenzübertritt“ begangen. Dabei war es doch unsere Aufgabe, gerade solche Vergehen zu verhindern! Je mehr ich darüber nachdachte, desto aufgeregter wurde ich. Jedoch nicht vor Scham, sondern vor Freude! Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl erlebt, eine Grenze zu übertreten. Einfach so, ohne vorher jemanden zu fragen. Über diese Grenze konnte ich dann ebenso ungehindert wieder zurückkehren. Ebenfalls, einfach so. Was ist eigentlich so schlimm daran, über eine Staatsgrenze zu gehen? Sollte so etwas nicht zur Normalität gehören? Zum ersten Mal begann ich zu begreifen, warum noch immer so viele Menschen die DDR verließen. Weil ihnen dieses Stück Normalität vorenthalten wurde! Und ich gehörte zu denen, die dazu beitrugen. Folglich hatte ich überhaupt kein Recht, mich über diesen Grenzübertritt zu freuen! Was wäre geschehen, wenn uns tatsächlich auf der Brücke ein „Grenzverletzer“ begegnet wäre? Der nichts weiter tun wollte, als wir selbst taten. Hätten wir ihn festgenommen? Aber sicher doch! Welch ein Irrsinn! Der Oberleutnant lief lächelnd neben mir her. Obwohl er wohl ahnte, was in mir vorging? Ob es wohl sogar in seiner Absicht lag, mir diesen dringend benötigten Denkanstoß zu bieten? Ich werde es wohl nie erfahren. Im Anschluss an die denkwürdigste Streife meines bisherigen Lebens, trennten sich unsere Wege. Für immer!
Den Rest des Tages verbrachte ich mit Grübeln. Über den Sinn meiner Tätigkeit an dieser Grenze. Der „Oder-Neiße-Friedensgrenze“. Die unversehens zur „Hintertür in den Westen“ geworden war. Am Abend kehrte ich, noch immer völlig unter dem Eindruck des Erlebten stehend, nach Hause zurück. Meine Frau versorgte gerade den Kleinen, als ich ins Wohnzimmer trat und mit glänzenden Augen verkündete: „ Du glaubst gar nicht, wo ich heute war. In Polen!“ Daraufhin blickte sie mich ungläubig an. „ Wo bitte, warst du heute? In Polen?“ Statt Polen, hätte ich auch Mond oder Mars sagen können. Für jemanden wie mich waren diese Planten so unereichbar wie das Nachbarland. Voller Stolz erzählte ich ihr von meinem „Ausflug über die Grenze“. Obwohl ich strenggenommen den polnischen Boden überhaupt nicht betreten hatte, freute ich mich noch immer wie ein Schneekönig darüber.
Wieder einmal lohnt ein Zeitsprung in die Gegenwart. Ins Jahr 2013. Besuchen wir den Ort des damaligen Geschehens noch einmal. Täglich wird diese Grenze von vielen tausend Menschen und Fahrzeugen überquert. In beide Richtungen. Völlig unkontrolliert. Einfach so zum Einkaufen oder zum Haareschneiden. Völlig ungehindert und unkontrolliert. Stacheldraht und Grenzposten sind längst verschwunden. Beinahe erscheint es uns, als hätte es die Geschehnisse während und vor dem Jahr 1989 nie gegeben. War alles nur ein böser Traum? Nein! Immer wieder muss an diese Zeit erinnert werden! Schon gibt es wieder Menschen, die sich an der erkämpften Normalität an dieser Grenze stören. Manche Menschen können eben nie zufrieden sein!
Gruß an alle
Uwe

Dann mal los Thomas
Gruß Uwe
#5


Zitat von ABV im Beitrag #2
Unruhig lief er, dass Dienstfernglas an die Augen gepresst, vor einem in den polnischen Landesfarben gehaltenen Schilderhaus auf und ab. Der Anblick zweier sich unbeirrt nähernden Uniformierten, irritierte den an solche Anblicke nicht gewohnten Grenzwächter. An seiner linken Schulter baumelte ein Handfunksprechgerät. Denen bei der Volkspolizei nicht unähnlich. Reflexartig nahm er das Gerät in die Hand. In dem Moment als der Posten den „ ungesetzlichen Grenzübertritt“ melden wollte,
Gruß an alle
Uwe
Hat zwar nichts mit der Wende zu tun ,- aber Dein Bericht erinnerte mich schlagartig an ein unangenehmes Ereignis
während der Grundausbildung !
Als krönender Abschluss der halbjährigen Grundausbildung in Dittrichshütte setzte sich das ganze Batallion in Marsch,- quer durch die ganze Republik auf den W 50 ins Feldlager Hintersee.
Dort, nahe der polnischen Grenze , ritt unsere Ausbilder irgendwann der Esel ,- und uns wurde ein Sturmangriff auf die polnische Grenze befohlen.
Zwei polnische Grenzer rannten blitzesschnelle davon ,- als unsere Kompanie mit Sperrfeuer auf die Grenze zu marschierte,- und ja- wir waren am Ende hinter den polnischen Staatsschildern angelangt - unsere Unteroffiziere freuten sich diebisch über den gelungenen "Überfall" und feierten diesen tollen Akt abens gebührend...
Am nächsten Tag tauchte eine polnische Militärdelegation im Feldlager auf ,-
was verhandelt wurde- weiss ich nicht ,- aber ab da wurden wir im Lager geschliffen ,- daß uns fast das Eigelb aus den Ohren lief...
Wie gesagt- völlig O.T. ,- aber mir fiel das halt grad wieder ein...



hallo.
Zum Thema fällt mir eine kleine Geschichte ein.Zur Wendezeit war mein Arbeitsort im Rahmen der FDJ-Initiative in Berlin,natürlich nur im Ostteil, obwohl Mitarbeiter meiner Firma im Zuge von Messebau und anderen Objekten schon länger auch im Westen tätig waren.Zu diesen erlesenen Kollegen gehörte ich nicht.Im Rahmen meiner damaligen Tätigkeit(Materialbeschaffung für Baustellen)gehörte auch das fahren mit den zur Verfügung stehenden Fahrzeugen(W50,Multicar,Dumper).Dabei hatte ich oft Gelegenheit in grenznahe Bereiche zu fahren(z.B.Krankenhaus Mitte stand direkt an der Hinterlansmauer heute Bundeswehrkrankenhaus oder Betonwerk Michaelkirchstr.keine 100m nach Kreuzberg.Der Okt.89 war ein bewegter Monat arbeitstechnisch und natürlich politisch gesehen,ich bekam von der Firma meinen DDR-Pass und sollte mich darauf einstellen auch kurzfristig die Versorgung Westberliner Baustellen meiner eigenen Firma mit Material zu übernehmen.Das war natürlich vor dem 9.11.89 ein Hammer und kurz nach der Grenzöffnung war es dann auch soweit,ich fuhr mit dem W50 durch den Grenzübergang H.-Heine-Str.nach WB und belieferte Baustellen in Kreuzberg mit Ostberliner Baumaterial.Bei der ersten Durchfahrt war ich so nervös das ich den Einstiegsbügel des W50 an der LKW Rampe abgerissen habe(ich war einfach zu dicht rangefahren und an einem Träger eingefädelt)Es gab noch eine kurze Diskussion mit einem PKE Angehörigen,er war überzeugt die Grenzanlagen sind tabu und es gibt keinen Schadenersatz.Naja das wissen wir jetzt alle besser.
Lgandyman

Ich saß vor dem Fernseher und konnte nicht fassen was ich sah. Mit Hurra in den Westen. Sehe die sprachlosen und überforderten Grenzer die allein gelassen ohne vernünftige Instruktion wie blöd dastanden. Mit gewisser Häme meinerseits ,muss ich zugeben. Im Vorfeld mit den Demos habe ich einen Wandel zu einer besseren DDR erwartet ,mehr nicht. Ich war einfach sprachlos und musste weinen. Wir waren da schon wieder praktisch ein Vaterland. Das es das Ende der DDR bedeutet war mir sofort klar. Was seitdem Positiv und Negativ war steht auf einem anderen Blatt.
#11


Zitat von turtle im Beitrag #9
Ich saß vor dem Fernseher und konnte nicht fassen was ich sah. Mit Hurra in den Westen. Sehe die sprachlosen und überforderten Grenzer die allein gelassen ohne vernünftige Instruktion wie blöd dastanden. Mit gewisser Häme meinerseits ,muss ich zugeben. Im Vorfeld mit den Demos habe ich einen Wandel zu einer besseren DDR erwartet ,mehr nicht. Ich war einfach sprachlos und musste weinen. Wir waren da schon wieder praktisch ein Vaterland. Das es das Ende der DDR bedeutet war mir sofort klar. Was seitdem Positiv und Negativ war steht auf einem anderen Blatt.
Ging mir auch so ,- ich hab meine ehemaligen Mitbürger garnicht wiedererkannt...

Nach dem ich das ganze Hin und Her von dem Schabowski im Fernsehen gesehen hatte, den Auflauf an der Berliner Mauer, bin ich am Montag früh ca. 4 Uhr mit meinen Lada in Richtung Grenze( Hirschberg, Vogtland) gefahren! Habe gedacht das ein mörderischer Trubel auf der Autobahn ist, aber im Gegenteil, eine Ruhe und fast kein Auto zwischen K-M-Stadt(Chemnitz) und Plauen! In der Frühe angekommen, sind die DDR-Grenzer mehr als erstaunt gewesen und ohne viel Russ durften wir weiter fahren, auf Bundesgebiet angekommen, standen ein Haufen Übertragungswagen von ZDF, ARD und RTL. Aber die pennten alle noch und hatten ihre Kameras noch nicht in Position! Wollten eigentlich nur bis Hof fahren, aber da es so früh war, ging es bis Nürnberg und alle die uns begegnet sind, ein hupen und winken(heute nicht mehr denkbar)! Da wir ja(DDR-Bürger mäßig) Angst hatten etwas falsches zu tun, habe ich das Auto am Ortseingang stehen lassen! Da es aber bis in die Innenstadt noch weit gewesen ist, haben wir den ersten Bessten gefragt, wie weit u.s.w.! Er sagte wir sollen mit der Tram fahren die fährt ins Centrum und gab uns 5 DM für die Fahrkarte, was haben wir gemacht, die 5 DM eingesteckt und gelaufen,eine übelst lange Strecke! Sind dann zu einer Bank( Deutsche Bank) gegangen um das Begrüßungsgeld ab zuholen, aber das gab es nur auf dem Rathaus, die Herren in weißen Hemden( für uns ungewöhnlich, da in der DDR Sparkasse man nur Frauen kannte) beschrieb uns den Weg laut Karte und da es für uns nur Böhmische Dörfer waren, hat er die Karte kopiert, nun haben wir noch dümmer geschaut(kopieren, was ist das)! Kannte aus DDR-Zeiten nur die Kopiermaschinen mit der Flüssigkeit die so bestialisch stank, er legte es unter einer Maschine drücke einen Knopf und fertig! Da standen wir mit offenen Mund da und ich dachte, was geht hier los und wie rückständig leben wir in der DDR! Geht an diesen ersten Tag in der alten BRD noch weiter, aber fürs erste reicht es!
Grüsse steffen52

Das Jahr 1990 begann, aus unserem Traditionsbetrieb, dem VEB Pentacon Dresden war inzwischen die Pentacon Dresden GmbH geworden. Wir spekulierten wie es weiter geht. Rund 5000 Mitarbeiter waren in dieser Zeit im Dresdener Raum mit der Herstellung von Spiegelreflex-und Tubuskameras, Projektoren, Mikrofilm- und Kopiertechniktechnik beschäftigt. 80% der Erzeugnisse wurden ins westliche Ausland exportiert und wir waren auch etwas Stolz auf unsere Erzeugnisse und die jahrelange Tradition der Kameraindustrie im sächsischen Dresden. Naiv dachten wir damals es wird bestimmt, wenn auch in etwas anderer Form, weiter gehen. Auf der Suche nach finanzkräftigen Investoren reiste die Betriebsleitung z.B. auch nach Japan. Dort wurden damals ca. 90% der Kameraproduktion des Weltmarktes gefertigt (Anfang der 1960er Jahre kupferten die Japaner noch Erzeugnisse aus Dresden ab!). Eine österreichische Firmenberatergruppe sollte ein marktwirtschaftliches Konzept zur Fortführung des Betriebes erstellen. Einige Inhalte davon sickerten gerüchteweise zu uns durch: Gründung eines Betriebes mit ca. 800 Mitarbeitern, Konzentration auf das Kerngeschäft der Kameramontage, Ausgliederung aller Nebenbereiche usw. „Wirst du hier dazu gehören“ war natürlich die meist gestellte Frage. Mein Tätigkeitsfeld, die Kunststoffverarbeitung sollte natürlich auch nach außen (nach Österreich!!!) verlagert werden. Ein netter Kollege aus der Nachbarabteilung sollte das Kunstoffteilesortiment für die Beratergruppe auflisten, ich sollte zuarbeiten. „Von mir bekommst du nichts“ war meine pampige Antwort denn ich wollte mir den Ast nicht selbst absägen, so mein naives Denken. Es kam dann alles ganz anders, am 2. Oktober (ein Tag vor der Einheit!!!) wurde uns verkündet, dass alle Bemühungen zur Weiterführung fehlgeschlagen sind, die japanische Konkurrenz sei zu stark, der Betrieb muss in die Liquidation. Die meisten wurden nun in „Kurzarbeit 0“ geschickt, ich durfte noch bis Juni 1991 Unterlagen für die Nachwelt registriern und bei der Verschrottung helfen.
Anschließend wurden wir durch sehr schnell auftauchende „Bildungsfirmen“ für die Marktwirtschaft in einem 4 wöchigem Pflichtprogramm vorbereitet (wir lernen mit Messer und Gabel essen war dazu unser Kommentar!).
Dann entstanden zwei kleine Lichtblicke:
1. Von der Treuhand wurde einem Unternehmer der Firmen Beroflex und Schneider Betriebsteile verkauft und er wurde verpflichtet 180 Arbeitskräfte zu beschäftigen. Mehrmals wurde der Name der neuen Firma geändert, seit 1998 aus verkaufstechnischen Gründen wieder Pentacon. Fast alles was dort unter dem Namen „Praktica“ gehandelt wird kommt jedoch nun leider aus Fernost!!
2. Aus den USA kam der Sir John Noble, er hielt große blumige Reden und wir dachten
ein reicher Amerikaner muss die Marktwirtschaft kennen. Er war leider nicht reich sondern konnte nur reichhaltige Visionen verbreiten, mit ca. 20 Leuten hat er bis zur Insolvenz durchgehalten (Ich war auch 2 Monate dabei), für Interessierte:
www.john-noble.de/nachruf/saechsische_zeitung/
Für mich gab es glücklicherweise ein Happy-End:
Bis zur Rente (1992 bis 2008) fand ich in einem Forschungsinstitut eine interessante Arbeit im Bereich der Kunststoff-Entwicklung.
Ähnliche Ereignisse haben in dieser Zeit ja bestimmt viele erlebt und
bei diesen Geschichten fühle ich mich immer wie früher der Opa, der vom Krieg erzählte,
aber ihr wolltet ja die alten Geschichten hören!
MfG
GKUS64


Zitat von turtle im Beitrag #12Zitat von manudave im Beitrag #10
Du hast Grenzer gesehen, Turtle? Grins...
Oh, die armen Kerlchen ... Offiziersschüler von der OHS Suhl nach Berlin kommandiert um ihr Dienst- und Weltbild vor Ort einstürzen zu sehen. Ich denke mal, sie sollten inzwischen drüber hinweg gekommen sein.
Eine meiner Wendegeschichten spielte eine Zeit nach der Grenzöffnung. Die Runden Tische nahmen ihre Arbeit auf und es kam eines Tages die Nachricht, dass der Runde Tisch für die Landesverteidigung bei uns an der Militärpolitischen Hochschule stattfinden würde. Es wurden, wenn ich mich recht entsinne, Freiwillige gesucht, die die Vertreter der Parteien und Gruppierungen am Kontrolldurchlass in Empfang nahmen und in den Beratungsraum führen. Das war nun nicht gerade eine Sache, um die man sich riss, aber ich meldete mich auch. Am Abend standen wir bereit und brachten die Leute so, wie sie kamen, in den kleinen Vorlesungssaal. Die Tische waren in U-Form aufgebaut und als Präsidium wurde das U abgeschlossen von einem Tisch, an dem Generale und Offiziere Platz nahmen. Ich weiß nicht mehr, wen ich begleitete, aber mehr als zweimal brauchte ich nicht zu laufen. Wir standen dann vor dem Vorlesungsraum und es stand die Frage: Und nun? "Gehen wir mit rein!?" "Wer sagt, dass wir das dürfen?" "Wer sagt, dass wir das nicht dürfen?" Wir gingen einfach mit rein, nahmen uns ein paar Stühle und setzten uns an den Rand des Podiums, von dem aus normalerweise die Vorlesungen gehalten wurden. Niemand sagte etwas, niemand fragte uns etwas. Ich erlebte die ersten 2 Stunden richtiger Basisdemokratie in meinem Leben. Interessanterweise hielt man sich an die Spielregeln einer formalen Sitzung. Einige, die anwesend waren, hatten selber augenscheinlich auch als Offiziere gedient. Es herrschte weitestgehend eine sachliche Atmosphäre. Die NVA wurde durch Generalleutnant Süß repräsentiert. Er versuchte, Rede und Antwort zu stehen. An ihm war während der Sitzung eine wesentliche Veränderung zu bemerken. Während er am Anfang versuchte, eher mit allgemeinen Aussagen und von oben herab, als der höchste Spezialist im Raum sozusagen, die Sitzung zu beherrschen, knickte er mit der Zeit unter den sehr konkreten und sachkundigen Fragen der Vertreter der Parteien und Organisationen immer mehr ein. Sein Gesicht war am Ende gerötet und ich sah an seinem Hals, dass er zitterte. Die Inhalte von damals habe ich bis heute längst vergessen, aber dieser Eindruck blieb mir im Gedächtnis.
ciao Rainman
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