Das süße Gift der Diktatur

  • Seite 1 von 7
15.01.2014 15:17
avatar  ABV
#1
avatar
ABV

Ich lese zurzeit das Buch " Wir haben fast alles falsch gemacht-die letzten Tage der DDR", von Frank Sieren. In diesem Buch steht der allseits bekannte Günther Schabowski dem Journalisten Sieren Rede und Antwort. Ich muss eingestehen, dass mir Schabowski bislang nicht eben sympathisch erschien. Grob gesagt war er für mich so etwas wie der Prototyp des typischen Wendehalses. Liest man sich seine sehr ausführlichen und detaillierten Antworten zu den alles andere als einfachen Fragen jedoch gründlich durch, bekommt man ein klareres Bild von dem Menschen Schabowski. Dessen politischer Wandel plötzlich in einem völlig anderen Licht erscheint.
Um Schabowski, über den in diesem Forum bereits seitenweise debattiert wurde, geht es mir aber nicht. Sondern um einen Ausspruch aus dem Buch, dem als Threadtitel verwendeten " Süßen Gift der Diktatur".
Dieser Ausspruch, der für manche womöglich als V)erklärungsversuch gedeutet werden könnte, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Wir reden ja viel über die zwei Diktaturen auf deutschem Boden, im 20. Jahrhundert. Man sollte jedoch nicht nur über Ursachen und Unterschiede beider Diktaturen reden, sondern auch wie man künftig eine weitere Diktatur verhindern will! So etwas ist heute nicht mehr möglich? Oh je, dass dachten unsere Vorfahren auch!
Um eine Diktatur verhindern zu können, muss man sie erstmal als solche erkennen! Und zwar mit dem zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Wissen. Jahrzehnte später kann jeder Dussel empört " wie kann man denn nur?" labern.
Natürlich haben wir es heute, auf Grund der Erfahrungen eben dieser Diktaturen ein wenig einfacher, als unsere Altvorderen. Was aber keine Garantie dafür ist, dass wir Deutschen wieder in die Sch.... reiten.
Bei einer Diskussion anderen Ortes hatte ein aus den "Alten Bundesländern" stammender User behauptet, " dass er auf Grund seiner humanistischen Erziehung mit gutem Gewissen ausschließen kann, beim MfS gedient zu haben." Falls er in der DDR geboren und aufgewachsen wäre.
Aha, so einfach ist das also. Die Mitarbeiter des MfS haben also samt und sonders eine "inhumane Erziehung genossen". Sie wurden also quasi bereits in den Windeln liegend, zu kleinen Spitzeln und Sadisten gedrillt. Ironie aus!
Bitte jetzt den Vergleich nicht falsch verstehen: selbst ein Reinhard Heydrich und ein Heinrich Himmler stammen aus gutem Hause. Haben also, wie der besagte User, eine humanistische Erziehung genossen. Trotzdem haben sie schwere Schuld auf sich geladen. Durchaus kein Widerspruch!
Diktaturen erscheinen nicht selten auf dem ersten Blick als etwas ganz besonderes. Das unbedingt geschützt werden muss. Gegen alle äußeren und inneren Feinde. Solche vermeintlichen Konstellationen rufen vor allem Idealisten auf den Plan. Die kompromisslos bereit sind, sich voll in die Sache des Staates zu stellen. Und dabei vor lauter Idealismus den wahren Charakter dieses Staates nicht erkennen. Idealismus ist aber auch ein Ausdruck einer humanen Erziehung.Wehe jedoch, wenn dieser Idealismus fehlgeleitet und missbraucht wird!
Als ich 1985, gerade mal einundzwanzig Jahre jung, zur Volkspolizei ging, hatte ich ebenfalls ein absolut "Rosarotes DDR-Bild". Kurz vor meinem Eintritt in die VP habe ich ein Buch mit dem Titel " Befehdet seit dem ersten Tag" in die Hände bekommen. Seite über Seite las ich von den fiesen, letztendlich aber erfolglosen Angriffen westlicher Geheimdienste und "Terrororganisationen" gegen die DDR. Was ich dort las, prägte mein DDR-Bild für die kommenden Jahre: Ein kleiner Staat, der es viel schwerer hat als das "reiche Gegenstück im Westen, der trotzdem seinen Bürgern ermöglicht ohne Ausbeutung und Not zu leben. Für solch einen Staat lohnt sich jede Anstrengung!
Heute, vor allem mit dem Wissen und der Reife von Heute, könnte ich mich an den Kopf fassen, meiner damaligen Naivität wegen. Ich kann es leider nicht mehr ändern! Höchstens froh darüber sein, dass mein damaliger Idealismus nicht zu irgendwelchen Dingen, wegen der ich mich heute hätte schämen bzw vor den Schranken eines Gerichtes verantworten müssen, missbraucht wurde.
Warum haben ich und viele andere auch, damals nicht erkannt das die DDR eine Diktatur war? Zum einen wegen des bereits erwähnten Idealismus. Und zum anderen hatte man sich unter einer Diktatur doch irgendwie etwas ganz furchtbares vorgestellt. Chile unter Pinochet zum Beispiel. Ein Land in dem Menschen auf offener Straße weggefangen, gefoltert und ermordet wurden. Diktaturen lagen ganz weit weg. Am anderen Ende des Erdballs.
Aber doch nicht unsere kleine, friedliche DDR!
Und doch entpuppte sich diese kleine, ach so friedliche DDR am Ende als Diktatur. Nicht soooo schlimm, wie die Nazidikatur. Wie beruhigend fürs Gewissen. Obwohl man Diktaturen und deren Opfer ohnehin nicht miteinander aufrechnen sollte.
Wie aber kann man solche Diktaturen in Zukunft vermeiden? Sollte es keine Idealisten mehr geben? Natürlich nicht! Jeder Staat benötigt seine Idealisten. Kein Staat kann sich auf Dauer lediglich auf "Mitläufer" verlassen.
Was können wir heute tun, damit die Demokratie in Deutschland nie mehr in Gefahr gerät?

Gruß an alle
Uwe

15.01.2014 15:47
avatar  ( gelöscht )
#2
avatar
( gelöscht )

Wer die linken Vertreter der Diktatur kennt, weiß, das es zur Verhinderung einer Diktatur dieser alten Leute lediglich eines Kochlöffels bedarf.
Die NSU ist wesentlich gefährlicher!


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 15:56
avatar  ABV
#3
avatar
ABV

Undemokratische Parteien, gleich welchen Spektrums, erkennt man meist daran, dass sie auf schwierige Fragen stets einfache Antworten parat haben.
Zum Beispiel das Thema Arbeitslosigkeit. Sowohl die "Linken" als auch die "Rechten" versprechen dem Volk absolute Vollbeschäftigung. Aber keine dieser Parteien kann den Wählern sagen, wie sie diese Vollbeschäftigung erzielen wollen. Von diversen hohlen Phrasen mal abgesehen.

Gruß Uwe

15.01.2014 15:59
avatar  Alfred
#4
avatar

Zitat von ABV im Beitrag #3
Undemokratische Parteien, gleich welchen Spektrums, erkennt man meist daran, dass sie auf schwierige Fragen stets einfache Antworten parat haben.
Zum Beispiel das Thema Arbeitslosigkeit. Sowohl die "Linken" als auch die "Rechten" versprechen dem Volk absolute Vollbeschäftigung. Aber keine dieser Parteien kann den Wählern sagen, wie sie diese Vollbeschäftigung erzielen wollen. Von diversen hohlen Phrasen mal abgesehen.

Gruß Uwe


Vollbeschäftigung ein Versprechen der LINKEN ? Wo kann ich dies denn nachlesen ?


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 16:04
avatar  ( gelöscht )
#5
avatar
( gelöscht )

Jetzt bin ich ja mal gespannt, worann du bei der Linken eine undemokratische Partei ausmachst!
Die Mitglieder sind so undemokratisch, das man die Beobachtung durch den Verfassungsschutz
verboten hat!!
Also bitte Beispiele!
mfg Jan


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 16:13
avatar  ABV
#6
avatar
ABV

Entschuldigung Jan: ich meine Linksextreme und Rechtsextreme Parteien. Nicht "Die Linke". Denn diese Partei ist ja nicht linksextrem. Ich habe mich da wohl etwas missverständlich ausgedrückt.

Gruß Uwe

15.01.2014 16:52
#7
avatar

Hallo,

alles schön gesagt, @ABV. Nur, wie erkennt der Laie die böse Diktatur überhaupt?

Meist heißt sie nicht so, oft heißt sie sogar "Demokratie". Der Name kann es somit nicht sein.

Die Schulbildung könnte weiterhelfen, sowie die später erfolgte Bestrahlung mit farbigem Licht.
Als Wessi hat man es da gut, insbesondere mit dem Abi eines katholischen Bundeslandes. Da hat man das "Richtige" mitbekommen. Du hattest den Vorteil, daß Du bei Deinem neuen Dienstherrn eine umfassende (Neu-)Ausbildung mit der "richtigen" politischen Bildung genossen hast.
Die Macht des Faktischen tut ihr übriges, die einen haben halt verloren, die anderen gewonnen.
Angenommen, das gab es nicht, jemand muß sich mit der in der "Diktatur" erworbenen Bildung sein Urteil bilden und das Ende ist noch offen, es gibt noch keinen Sieger der Geschichte. Was nimmt derjenige als Maßstab?

Und will es wirklich gelingen, "Demokratie" und "Diktatur" klar voneinander abzugrenzen?
Staaten und Gesellschaften sind Veränderungen unterworfen. Ein ehemals extrem restriktiver Staat kann mit zunehmendem Wohlstand immer mehr Freiheiten und Einflußmöglichkeiten des Einzelnen erlauben. Gleichzeitig kann ein noch so demokratischer Staat seine Strukturen zusehends abbauen und ihren Ersatz durch private Strukturen ermöglichen, in denen nur einer, nämlich der Eigentümer das Sagen hat. Dieser Staat sieht sehr demokratisch aus, er kann sogar Volksentscheide ermöglichen, nur, wo findet er überhaupt noch statt? Der Bürger kann ihn außerhalb der Medien gar nicht mehr wahrnehmen, selten, daß er im Straßenbild noch einen Polizisten sieht. Wo immer er sich aufhält hat er es nicht mehr mit einem Organ seines Staates und der staatlichen Rechtsordnung zu tun, sondern mit einem privaten Gegenüber, das das Recht des Stärkeren ausübt.

Just my 5 ct., wie matloh sagen würde.

Grüße aus Hessen

„Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“ Sören Kierkegaard


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 16:53
avatar  ( gelöscht )
#8
avatar
( gelöscht )

Zitat von ABV im Beitrag #1
Ich lese zurzeit das Buch " Wir haben fast alles falsch gemacht-die letzten Tage der DDR", von Frank Sieren. In diesem Buch steht der allseits bekannte Günther Schabowski dem Journalisten Sieren Rede und Antwort. Ich muss eingestehen, dass mir Schabowski bislang nicht eben sympathisch erschien. Grob gesagt war er für mich so etwas wie der Prototyp des typischen Wendehalses. Liest man sich seine sehr ausführlichen und detaillierten Antworten zu den alles andere als einfachen Fragen jedoch gründlich durch, bekommt man ein klareres Bild von dem Menschen Schabowski. Dessen politischer Wandel plötzlich in einem völlig anderen Licht erscheint.
Um Schabowski, über den in diesem Forum bereits seitenweise debattiert wurde, geht es mir aber nicht. Sondern um einen Ausspruch aus dem Buch, dem als Threadtitel verwendeten " Süßen Gift der Diktatur".
Dieser Ausspruch, der für manche womöglich als V)erklärungsversuch gedeutet werden könnte, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Wir reden ja viel über die zwei Diktaturen auf deutschem Boden, im 20. Jahrhundert. Man sollte jedoch nicht nur über Ursachen und Unterschiede beider Diktaturen reden, sondern auch wie man künftig eine weitere Diktatur verhindern will! So etwas ist heute nicht mehr möglich? Oh je, dass dachten unsere Vorfahren auch!
Um eine Diktatur verhindern zu können, muss man sie erstmal als solche erkennen! Und zwar mit dem zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Wissen. Jahrzehnte später kann jeder Dussel empört " wie kann man denn nur?" labern.
Natürlich haben wir es heute, auf Grund der Erfahrungen eben dieser Diktaturen ein wenig einfacher, als unsere Altvorderen. Was aber keine Garantie dafür ist, dass wir Deutschen wieder in die Sch.... reiten.
Bei einer Diskussion anderen Ortes hatte ein aus den "Alten Bundesländern" stammender User behauptet, " dass er auf Grund seiner humanistischen Erziehung mit gutem Gewissen ausschließen kann, beim MfS gedient zu haben." Falls er in der DDR geboren und aufgewachsen wäre.
Aha, so einfach ist das also. Die Mitarbeiter des MfS haben also samt und sonders eine "inhumane Erziehung genossen". Sie wurden also quasi bereits in den Windeln liegend, zu kleinen Spitzeln und Sadisten gedrillt. Ironie aus!
Bitte jetzt den Vergleich nicht falsch verstehen: selbst ein Reinhard Heydrich und ein Heinrich Himmler stammen aus gutem Hause. Haben also, wie der besagte User, eine humanistische Erziehung genossen. Trotzdem haben sie schwere Schuld auf sich geladen. Durchaus kein Widerspruch!
Diktaturen erscheinen nicht selten auf dem ersten Blick als etwas ganz besonderes. Das unbedingt geschützt werden muss. Gegen alle äußeren und inneren Feinde. Solche vermeintlichen Konstellationen rufen vor allem Idealisten auf den Plan. Die kompromisslos bereit sind, sich voll in die Sache des Staates zu stellen. Und dabei vor lauter Idealismus den wahren Charakter dieses Staates nicht erkennen. Idealismus ist aber auch ein Ausdruck einer humanen Erziehung.Wehe jedoch, wenn dieser Idealismus fehlgeleitet und missbraucht wird!
Als ich 1985, gerade mal einundzwanzig Jahre jung, zur Volkspolizei ging, hatte ich ebenfalls ein absolut "Rosarotes DDR-Bild". Kurz vor meinem Eintritt in die VP habe ich ein Buch mit dem Titel " Befehdet seit dem ersten Tag" in die Hände bekommen. Seite über Seite las ich von den fiesen, letztendlich aber erfolglosen Angriffen westlicher Geheimdienste und "Terrororganisationen" gegen die DDR. Was ich dort las, prägte mein DDR-Bild für die kommenden Jahre: Ein kleiner Staat, der es viel schwerer hat als das "reiche Gegenstück im Westen, der trotzdem seinen Bürgern ermöglicht ohne Ausbeutung und Not zu leben. Für solch einen Staat lohnt sich jede Anstrengung!
Heute, vor allem mit dem Wissen und der Reife von Heute, könnte ich mich an den Kopf fassen, meiner damaligen Naivität wegen. Ich kann es leider nicht mehr ändern! Höchstens froh darüber sein, dass mein damaliger Idealismus nicht zu irgendwelchen Dingen, wegen der ich mich heute hätte schämen bzw vor den Schranken eines Gerichtes verantworten müssen, missbraucht wurde.
Warum haben ich und viele andere auch, damals nicht erkannt das die DDR eine Diktatur war? Zum einen wegen des bereits erwähnten Idealismus. Und zum anderen hatte man sich unter einer Diktatur doch irgendwie etwas ganz furchtbares vorgestellt. Chile unter Pinochet zum Beispiel. Ein Land in dem Menschen auf offener Straße weggefangen, gefoltert und ermordet wurden. Diktaturen lagen ganz weit weg. Am anderen Ende des Erdballs.
Aber doch nicht unsere kleine, friedliche DDR!
Und doch entpuppte sich diese kleine, ach so friedliche DDR am Ende als Diktatur. Nicht soooo schlimm, wie die Nazidikatur. Wie beruhigend fürs Gewissen. Obwohl man Diktaturen und deren Opfer ohnehin nicht miteinander aufrechnen sollte.
Wie aber kann man solche Diktaturen in Zukunft vermeiden? Sollte es keine Idealisten mehr geben? Natürlich nicht! Jeder Staat benötigt seine Idealisten. Kein Staat kann sich auf Dauer lediglich auf "Mitläufer" verlassen.
Was können wir heute tun, damit die Demokratie in Deutschland nie mehr in Gefahr gerät?

Gruß an alle
Uwe



Uwe, ganz klasse Ansatz!

Diktaturen erscheinen nicht selten auf dem ersten Blick als etwas ganz besonderes. Das unbedingt geschützt werden muss.

Eher: nicht die Diktatur selbst, sondern die ihr zu Grunde liegende Weltanschauung? Die dann mittels Diktatur umgesetzt werden soll? Dann verselbständigt sich Diktatur und macht sich selbst zum Zentrum?


...selbst ein Reinhard Heydrich und ein Heinrich Himmler stammen aus gutem Hause. Haben also, wie der besagte User, eine humanistische Erziehung genossen. Trotzdem haben sie schwere Schuld auf sich geladen.

... und Goebbels war Dr. der Germanistik:

"Goebbels schreibt seine Dissertation - unter der Betreuung des jüdischen Professors Freiherr von Waldberg und studiert bei dem von ihm verehrten, ebenfalls jüdischen Literaturwissenschaftler Professor Friedrich Gundolf."
Thema der Arbeit: "Wilhelm von Schütz als Dramatiker: ein Beitrag zur Geschichte des Dramas der Romantischen Schule".

- das war 1921 !


Ich habe soviel genau darüber nachgedacht.....

Von 14 Teilnehmern (plus Eichmann) der Wannsee-Konferenz (Stichwort "Endlösung") waren 8 promoviert...

Nein, keine Bildung, auch nicht die humanistische, schützt vor Diktatur.

Mir kommt so ein Gedanke: ist Diktatur vor allem eine "Idee einer Mittelschicht"?
Ihre Ausführung überlässt diese dann den "kleinen Leute"?
.


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 17:02 (zuletzt bearbeitet: 15.01.2014 17:05)
#9
avatar

Barbara, letzter Satz in #8: Ja, die Drecksarbeit machen dann, bis auf Ausnahmen, meist die "kleinen Leute", oft mit einem Hang zur Gewalt und ohne sehr viel Intellekt und ohne ein "Übermaß" an Mitgefühl und Gewissen.
Um nicht mißverstanden zu werden, solche Sachen beziehe ich auf wirkliche Diktaturen, in denen Gewalt und Tod zu den Normalitäten gehören.


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 17:06
avatar  ( gelöscht )
#10
avatar
( gelöscht )

Zitat von Damals87 im Beitrag #7
Hallo,

alles schön gesagt, @ABV. Nur, wie erkennt der Laie die böse Diktatur überhaupt?

Meist heißt sie nicht so, oft heißt sie sogar "Demokratie". Der Name kann es somit nicht sein.

Die Schulbildung könnte weiterhelfen, sowie die später erfolgte Bestrahlung mit farbigem Licht.
Als Wessi hat man es da gut, insbesondere mit dem Abi eines katholischen Bundeslandes. Da hat man das "Richtige" mitbekommen. Du hattest den Vorteil, daß Du bei Deinem neuen Dienstherrn eine umfassende (Neu-)Ausbildung mit der "richtigen" politischen Bildung genossen hast.
Die Macht des Faktischen tut ihr übriges, die einen haben halt verloren, die anderen gewonnen.
Angenommen, das gab es nicht, jemand muß sich mit der in der "Diktatur" erworbenen Bildung sein Urteil bilden und das Ende ist noch offen, es gibt noch keinen Sieger der Geschichte. Was nimmt derjenige als Maßstab?

Und will es wirklich gelingen, "Demokratie" und "Diktatur" klar voneinander abzugrenzen?
Staaten und Gesellschaften sind Veränderungen unterworfen. Ein ehemals extrem restriktiver Staat kann mit zunehmendem Wohlstand immer mehr Freiheiten und Einflußmöglichkeiten des Einzelnen erlauben. Gleichzeitig kann ein noch so demokratischer Staat seine Strukturen zusehends abbauen und ihren Ersatz durch private Strukturen ermöglichen, in denen nur einer, nämlich der Eigentümer das Sagen hat. Dieser Staat sieht sehr demokratisch aus, er kann sogar Volksentscheide ermöglichen, nur, wo findet er überhaupt noch statt? Der Bürger kann ihn außerhalb der Medien gar nicht mehr wahrnehmen, selten, daß er im Straßenbild noch einen Polizisten sieht. Wo immer er sich aufhält hat er es nicht mehr mit einem Organ seines Staates und der staatlichen Rechtsordnung zu tun, sondern mit einem privaten Gegenüber, das das Recht des Stärkeren ausübt.

Just my 5 ct., wie matloh sagen würde.

Grüße aus Hessen




Bei Beibehaltung des "Gesellschaftlichen Modells" Michael?
Ein restriktiver Staat der über lange Zeit eine solche Machtstruktur aufgebaut hat, wird ebenso lange brauchen diese Machtstruktur wieder "rückzubauen". Während dessen geht ihm das Volk verloren?

.


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 17:09
avatar  ABV
#11
avatar
ABV

@Damals87
Ja, wie erkennt man eine Diktatur? Als ich, anderen Ortes, darüber schrieb das ich erst nach dem Ende der DDR erkannte das es sich bei der selbigen um eine Diktatur handelte, erntete ich von einigen Usern tiefes Unverständnis. Pikanterweise befand sich darunter auch jemand, der fünfzehn Jahre Mitglied der SED war!!??
Nach Meinung dieser User hätte ich doch erkennen müssen, dass die DDR eine Diktatur war. Obendrein eine besonders fiese. In der tagtäglich die Menschenrechte mit den Füßen getreten wurden.
Hmm, jaaa, da beißt sich die berühmte Katze aber gehörig in den Schwanz. Ich hätte mich niemals wissentlich in den Dienst einer Diktatur gestellt. Schon gar keiner, in der die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Das der sich heute als "Schon immer alles wissender" gebärdende Ex-Genosse mit seiner vorgeschobenen Empörung indirekt eingestand, wissentlich eine Diktatur unterstützt zu haben, werte ich als "klassisches Eigentor".
Aber wir wollen ja unseren Kindern und Enkeln solche Erfahrungen ersparen. Bloß wie???

Gruß Uwe

15.01.2014 17:15
avatar  ABV
#12
avatar
ABV

Zitat von DoreHolm im Beitrag #9
Barbara, letzter Satz in #8: Ja, die Drecksarbeit machen dann, bis auf Ausnahmen, meist die "kleinen Leute", oft mit einem Hang zur Gewalt und ohne sehr viel Intellekt und ohne ein "Übermaß" an Mitgefühl und Gewissen.
Um nicht mißverstanden zu werden, solche Sachen beziehe ich auf wirkliche Diktaturen, in denen Gewalt und Tod zu den Normalitäten gehören.


Mir fällt da spontan der hohe SS-Offizier Theodor Eicke ein. Ein ebenso brutaler wie ausgesprochen dummer Mensch. Seine Lebensgeschichte vor 1933, ist die eines gescheiterten Versagers. Erst bei den Nazis gelangte der Trottel " in Amt und Würden".

Gruß Uwe

15.01.2014 17:28
avatar  Mike59
#13
avatar

Zitat
Nein, keine Bildung, auch nicht die humanistische, schützt vor Diktatur.

Mir kommt so ein Gedanke: ist Diktatur vor allem eine "Idee einer Mittelschicht"?
Ihre Ausführung überlässt diese dann den "kleinen Leute"?
.



Ich hatte das schon mal in diesem Tread Kapitalismus - Verbrechen gegen die Menschheit (3) #49 versucht anzusprechen.
In der Geschichte ist es doch bisher so gewesen, dass der Wille zu einer gesellschaftlichen Veränderung meist aus dem Bildungsbürgertum gekommen ist. Welches sich eben auch mal darüber negativ äußerte das die Masse des "unterdrückten Volkes" kaum Interesse für eine Veränderung ihrer Lage zeigen.


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 17:30
#14
avatar

Wir hatten da das vom Staat mit Bedacht gehaßte Westfernsehen mit informativen Politsendungen.
Die hatten auch ihr Ziel. Aber man konnte als erfahrener DDR-Bürger sich sein Teil denken.

Daß man nicht frei reden konnte, merkte man doch schon in der Schule. Man flüsterte sich was oder dachte und schwieg. Dabei mußte es nicht um große Sachen gehen. Man konnte sich schnell den Mund verbrennen.

Überall wurde man, "an die Hand genommen", auch wenn man nicht wollte.
Die SED hatte das Meinungsmonopol, überhaupt die "führende Rolle". Die Medien waren gleichgeschaltet

In den Betrieben hatte die SED ihre Leute und das Sagen.

Und wer nur harmloser Beatmusikfan war, bekam die Staatsmacht zu spüren. Nicht jeder direkt. Aber es wurde Druck gemacht.

In den 80ern bildeten sich Widerstandsgruppen in den Kirchen.
Das war bei der Polizei natürlich bekannt und man hat sich sicherlich gefragt, warum die Leute das tun.

Wenn man unter Diktatur nicht nur äußerst brutale Regimes versteht - dann mußte man das in der DDR eigentlich erkennen, mehr oder weniger.

Gruß
Micha

Disziplin ist die Fähigkeit, dümmer zu erscheinen als der Chef. (Hanns Schwarz)


 Antworten

 Beitrag melden
15.01.2014 17:32 (zuletzt bearbeitet: 15.01.2014 17:38)
#15
avatar

Zitat von ABV im Beitrag #11
@Damals87
Ja, wie erkennt man eine Diktatur? Als ich, anderen Ortes, darüber schrieb das ich erst nach dem Ende der DDR erkannte das es sich bei der selbigen um eine Diktatur handelte, erntete ich von einigen Usern tiefes Unverständnis. Pikanterweise befand sich darunter auch jemand, der fünfzehn Jahre Mitglied der SED war!!??
Nach Meinung dieser User hätte ich doch erkennen müssen, dass die DDR eine Diktatur war.
Obendrein eine besonders fiese. In der tagtäglich die Menschenrechte mit den Füßen getreten wurden.
Hmm, jaaa, da beißt sich die berühmte Katze aber gehörig in den Schwanz. Ich hätte mich niemals wissentlich in den Dienst einer Diktatur gestellt. Schon gar keiner, in der die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Das der sich heute als "Schon immer alles wissender" gebärdende Ex-Genosse mit seiner vorgeschobenen Empörung indirekt eingestand, wissentlich eine Diktatur unterstützt zu haben, werte ich als "klassisches Eigentor".
Aber wir wollen ja unseren Kindern und Enkeln solche Erfahrungen ersparen. Bloß wie???

Gruß Uwe


Nun, ich kann mich erinnern, daß nie ein Hehl daraus gemacht wurde, daß es diese Gesellschaft eine "Diktatur der Proletariates" war. Ob das nun jeder als Diktatur im heutigen Verständnis wahrgenommen hat, ist eine andere Sache und auch, wie jeder Einzelne zu den gesellschaftlichen Zielen, die mit dieser konkreten "Diktatur" verbunden sind, steht. Hat sie, wie in der DDR vordergründig propagiert, das Gemeinwohl aller und ein friedliches Zusammenleben mit den Nachbarvölkern zum Ziel oder sind menschenfeindliche Ziele offensichtlich. Der Charakter der Diktatur in der DDR wurde so definiert, daß Interessen einer Mehrheit (Arbeiter, genossenschaftlich organisierte Bauern, Angestellte, bedingt Intelligenz) über die Interessen einer Minderheit (Selbständige, Kleinunternehmer) Vorrang haben. Was für Kopfstand damals gemacht wurde und wie das ausgelegt wurde, darüber hat auch damals manches SED-Mitglied den Kopf geschüttelt. Es muß sich m.E. aber kein Bürger, egal ob Mitglied der SED, einer Blockpartei oder parteilos, dafür schämen, diese "Diktatur" bewußt unterstützt zu haben, auch in Kenntnis ihrer Schwächen, Ungereimtheiten und Fehler, wenn er sie damals nicht als Diktatur im schlechten Sinne empfunden hat. Ich kann solche Leute nicht verstehen sondern nur verachten, die damals die 150%igen gespielt haben, jeden zurechtgewiesen haben, die Kritik an verschiedenen Zuständen übten und heute so tun, als ob sie schon immer dagegen waren.


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!