Die Andersdenkenden in der DDR

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19.09.2013 10:44
avatar  Moskwitschka ( gelöscht )
#1
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Moskwitschka ( gelöscht )

Hier im Forum mache ich immer wieder die Erfahrung, dass man ein sehr verschwommenes Bild von denen hat, die in der DDR ihre Stimme gegen den Staat oder die SED oder einfach gegen Unzulänglichkeiten erhoben haben. Es gibt viele Begriffe für sie: Kritiker, Oppositionelle, Andersdenkende, Klassenfeinde, feindlich – negative Kräfte bis hin zu „spinnerte Bürgerrechtsbewegte“. Offiziell sind diese Menschen in der DDR totgeschwiegen worden. Daher konnte man sich auch kein Bild von ihnen machen. In unserer Wahrnehmung sind es meist Einzelpersonen geblieben. Ein einheitliches Bild über verschiedene oppositionelle Strömungen gab es lange nicht.

Es gab sie aber, die öffentlich – ob im Betrieb, der Hochschule, Institutionen ihre Stimme erhoben haben. Im vollen Bewusstsein der Folgen haben sie Fragen gestellt. Ob es im Zusammenhang mit dem 17.Juni, dem Prager Frühling, der Ausbürgerung Wolf Biermanns - .um nur einige Anlässe zu nennen. Und es waren nicht nur Künstler, Schriftsteller oder Wissenschaftler, die sich zu Wort gemeldet haben. Das Ziel der meisten war nicht die DDR abzuschaffen, sondern Änderungen oder Reformen anzustoßen. Zumindest das Nachdenken darüber anzuregen. Manchmal waren es ganz einfache Fragen, auf die viele keine Antworten bekommen haben, die sie in vielen Fällen in die innere Emigration getrieben hat und früher oder später, zermürbt durch Repression, zum Verlassen der DDR.

Was habt ihr damals über die „Spinner“ und „Unbelehrbaren“ gedacht. Habt ihr solche Menschen oder Situationen kennen gelernt?

Ich möchte hier nicht meine persönliche Geschichte ausbreiten, die im Vergleich zu anderen nur ein kleines Licht ist. Mich beschäftigte aber immer wieder die Frage, was haben die anderen wohl gedacht, wenn sie einen kritischen Kollegen in ihrer Mitte hatten, der irgendwann aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr da war. Denn das „Andersdenken“ des Kollegen, Nachbarn oder Kommilitonen war ja bei kein „Urknall“ sondern ein Prozess.

LG von der grenzgaengerin


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19.09.2013 11:40
avatar  ✝thomas 48 ( gelöscht )
#2
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✝thomas 48 ( gelöscht )

Schon mal was von der Verfölgung der JG gelesen?
Schon mal was von der Jungschar gehört?
Schon mal was von IMAK-Leuten gehört?
Ich war überall dabei, in der Zeit von ca 1957-1970


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19.09.2013 11:46
avatar  Moskwitschka ( gelöscht )
#3
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Moskwitschka ( gelöscht )

Tut mir leid @thomas 48, wen ich die oppositionellen Strömungen in der Kirche in meiner Aufzählung vergessen habe.

LG von der grenzgaengerin


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19.09.2013 11:51
avatar  Vogtländer ( gelöscht )
#4
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Vogtländer ( gelöscht )

Bei mir in der Schulklasse (1980-1990) war es ein bunt gemischtes Volk.Von Weinrot bis Dunkelschwarz,vom Kurzhaar bis zum langhaarigen Bombenleger war alles da.Kann aber sagen, das wir mit Respekt der andren Meinung gegenüber gut miteinander konnten.Fragen hatten wir immer und der Zusammenhalt war auch gut.
Bei den Erwachsenen war die Wahrnehmung schon da,nur wurde meines Eindruckes nach nicht so offen und öffentlich kundgetan.


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19.09.2013 12:37 (zuletzt bearbeitet: 19.09.2013 16:49)
avatar  turtle ( gelöscht )
#5
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turtle ( gelöscht )

Mir war in den 60ern keine Gruppierung von Andersdenkenden bekannt.. Ich glaube das öffentliche Unmuts Äußerungen aus Angst vor Repressalien eher selten waren. Am Biertisch nach dem 5. Klaren kam es schon mal vor das auf Ulbricht und Co geschimpft wurde. Das unter der Hand geflüsterte "hast Du gehört ,den -----haben sie abgeholt, weil er ----- ! ,verfehlte nicht ihre Wirkung." Auch ich getraute mich kaum im Betrieb oder öffentlich zu meckern. Nur nach dem X. Bier grölte ich auf der Straße "Die Gedanken sind frei" was mir ab und zu eine Sonderfahrt mit dem Toni einbrachte. Es gab damals kurz eine Abendausgabe einer Zeitung ,da konnte man die sogenannte 19:00 Frage stellen. (Glaube jedenfalls so hieß das) Ich fragte warum dürfen nur Personen im Rentenalter und Invaliden in die BRD fahren?.
Die Frage und Antwort wurde nicht veröffentlicht. Ich bekam die Antwort aber schriftlich. "DDR Bürger werden im Westen diskriminiert und verfolgt ,nur weil sie diesen freiheitsliebenden 1.Arbeiter und Bauern Staat vertreten und repräsentieren."
Man nimmt aber nicht an das diese Machenschaften auch Rentner und Invaliden betreffen werden." Das war es . Nein nicht ganz bei meiner Verurteilung wegen versuchter Republikflucht (offiziell Passvergehen)hatte man meine provozierende Frage nicht vergessen ,das und gefundene "Schundliteratur" sollten meine negativ eingestellte Meinung zur DDR verstärken. Nach der "Wende" war ich jedoch mehr oder weniger erstaunt wie viele sich mutig und entschlossen gegen Willkür und Unrecht in der DDR gestellt hatten. Da verblasste sogar der alte Baron Münchhausen gegen diese mutigen Freiheitskämpfer. Den tatsächlich Mutigen die sich auch durch staatliche Maßnahmen gegen sie nicht davon abhalten ließen Unrecht und Missstande anzuprangern ,verneige ich mich.


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19.09.2013 13:06
avatar  Eisenacher ( gelöscht )
#6
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Eisenacher ( gelöscht )

Da gibt es riesengroße Unterschiede abhängig vom Jahrzehnt. In den 1960ern ging es eben auch für einen politischen Witz in den Knast, In den 70er Jahren wurde es schon toleranter und in den 80er Jahren konnte man schon ohne große Repressionen seine Meinung delikat zum Ausdruck bringen. Jedenfalls wenn man nicht gerade in einer Führungsposition war. Das ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung. Die Menschen haben mit den Jahren immer offener ihren Unmut zum Ausdruck gebracht.
@turtle Ja, nach der Wende waren alle Freiheitskämpfer und schon immer Systemgegner. Selbst die roteste aller Socken war ein verkappter Revolutionär.
Aber das kennen wir ja schon aus der Zeit nach dem WK2 und man kann es auch Niemandem verdenken. Von irgend etwas muss man ja leben und nicht jeder hat Bock Märtyrer zu sein.


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19.09.2013 13:20
avatar  Vogtländer ( gelöscht )
#7
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Vogtländer ( gelöscht )

Die "Angelegenheit" L./L.-Demo 1988 war irgendwie sowas wie ein Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung und Meinungsäußerung.So zumimdest mein Eindruck.


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19.09.2013 13:25
avatar  chantre
#8
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Also ich war auch Widerständler, ich habe mein Auto immer im Parkverbot abgestellt.

Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger. Kurt Tucholsky
Weisheit hat Grenzen, Dummheit nicht. Stefan Rogal


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19.09.2013 13:28
avatar  4.Zug 4.Kompanie GAR-40 ( gelöscht )
#9
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4.Zug 4.Kompanie GAR-40 ( gelöscht )

Mit Deinem blinkenden Blaulicht auf dem Dach war das auch keine Kunst!


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19.09.2013 13:29
avatar  Vogtländer ( gelöscht )
#10
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Vogtländer ( gelöscht )

Jaja,schon klar,Du edler Sanierer des maroden Staatshaushaltes.


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19.09.2013 13:53 (zuletzt bearbeitet: 19.09.2013 13:54)
#11
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Zitat von Eisenacher im Beitrag #6
... Ja, nach der Wende waren alle Freiheitskämpfer und schon immer Systemgegner. Selbst die roteste aller Socken war ein verkappter Revolutionär.
...

Nö, Eisenacher,

ich nicht. Ich stand bis zuletzt hinter dem Staat und dem was er tat. Ich glaube mich erinnern zu können, das hier im Forum bei anderen auch schon gelesen zu haben. Aber ich nehme an, dass Deine Aussage eher eine Überspitzung zum Zwecke der Deutlichmachung war, als der Versuch, die alten Betonköpfe der letzten Tage zu entlarven.

Aber zur Ausgangsfrage: Neben einem gerüttelten Maß an Systemtreue verfügte ich auch über eine erstaunliche Naivität im Umgang mit anderen Menschen. So musste ich während oder nach manch interessantem Gespräch feststellen, dass der Gesprächspartner eher der Opposition zuzuordnen war. Während mich das bis zu meinem Studium an der Militärpolitischen Hochschule regelmäßig in Verwirrung oder Gewissenskonflikte brachte, erlebte ich dann, eher unter dem Eindruck Berlins und seiner Szenen (in meinem Fall die Liedermacherszene), als unter dem Eindruck der Hochschule selbst, eine Entkrampfung. Die Systemkritik lag auch angesichts von Perestroika und Glasnost nahe. Dass dann die Kritik in Opposition umschlug, war in vielen Einzelfällen für mich nachvollziehbar. Insofern war für mich der Begriff des "Andersdenkenden" immer sehr merkwürdig. Es war erstaunlich, wie schnell man bei konsequenter Anwendung marxistisch-leninistischer Theoreme in Konflikt und auch in Opposition mit dem Regime der Partei kam. Ein kritischer, wacher Intellekt stieß sich eigentlich permanent an den Schranken des Systems. Die Frage war, wie derjenige, der Anstieß den Anstoß bewertete. War die Zensurschere der Parteidisziplin im Kopf, versuchte man es mit Selbstkritik. Letzteres führte auch bei mir immer wieder zur Anpassung. Wobei ich mir, ehrlich gesagt, in dieser Zeit keinen allzu kritischen und wachen Intellekt bescheinigen würde. Mein Opportunismus dieser Zeit gründete sich eher auf Bequemlichkeit, Gewohnheit und Naivität. Das hinderte mich aber nicht daran, mit kritischen Menschen (nicht einfach nur den Meckerköppen) ins Gespräch zu kommen. Dass ich da oft recht alt ausgesehen haben dürfte, entsprach damals nur teilweise meiner Wahrnehmung. Eine Überzeugung macht halt die seltsamsten Dinge mit der Wahrnehmung ...

ciao Rainman

"Ein gutes Volk, mein Volk. Nur die Leute sind schlecht bis ins Mark."
(aus: "Wer reißt denn gleich vor'm Teufel aus", DEFA 1977)


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19.09.2013 14:45
avatar  matloh ( gelöscht )
#12
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matloh ( gelöscht )

Zitat von Rainman2 im Beitrag #11
<... cut ... >ich nicht.
Hallo Rainman2, ich bewundere Deine Fähigkeit zur Selbstreflektion!

cheers matloh


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19.09.2013 14:47 (zuletzt bearbeitet: 19.09.2013 14:51)
avatar  Hans ( gelöscht )
#13
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Hans ( gelöscht )

Hallo, Gemeinde, wie Pastor Holm immer sagte.
1. Rainmann , Turtle :
RESPEKT !
2.Liebe Dora / Agathe (-oder doch Axinia -wär doch ne Alternative ) - Witzmodus aus- Du sprichst hier ein extrem schwieriges Thema an. Die von Dir aufgezählten Gruppen wurden -zumindestens in meinem Umfeld bzw. von mir, sehr unterschiedlich wahrgenommen.Ich glaub auch nicht, daß man sie in einen Topf werfen sollte oder kann.
Ein einheitliches Bild von den verschiedenen oppositioellen Strömungen (im weitesten Sinne-was ist alles Opposition?) gab es im öffentlichen Bewustsein und in der privaten Wahrnehmung in der DDR nicht, weil es einfach keine einheitliche opp. Stömung gab.
Selbst in erinnerung -aus eigener Wahrnehmung- nicht aus Politinformation - und auch nicht aus den ach so beliebten Fensehsendungen a la Schnitzler oder Löwenthal - ist mir eigendlich nur die ganze Geschichte Gethsemane-Kirche - , und zum Teil der Pfarrer Eppelmann (jetzt hatte ich mich doch glatt verschrieben, den Namen mit Ä,daher Korrektur), (später bekanntlich Minister für Verteidigung und Abrüstung -das letzte soll er ja geschafft haben- Ironie aus -) bekannt. Ne,ne -nicht Dienstlich bekannt !- ich wohnte "um die Ecke". Der "Rest", sorry, war einfach nicht präsent. Höchstens mal übers Fernsehen wirksam.
Meckerer : natürlich - unbeliebt, aber wo nicht ?Aber ist das Opposition? Kritiker: Teils teils -aber wenns sachlich und möglichst fundiert ist-nicht gerade beliebt und Streichelkinder, aber doch meist geachtet.
Und dann - nur um nicht aneinander vorbeizureden- versuch doch mal , zu präzisieren . Sonst unterhalten wir uns zum Schluß über Hools als Widerstandskämpfer- ich hab so einen ( Union-Fan !! ) unter den Kumpels .
Soviel erst mal.
73 u.88 Hans


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19.09.2013 15:34
avatar  damals wars ( gelöscht )
#14
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damals wars ( gelöscht )

Zitat von thomas 48 im Beitrag #2
Schon mal was von der Verfölgung der JG gelesen?
Schon mal was von der Jungschar gehört?
Schon mal was von IMAK-Leuten gehört?
Ich war überall dabei, in der Zeit von ca 1957-1970


IMAK noch nie gehört.
Ansonsten schon erstaunlich, was alles möglich war.


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19.09.2013 16:30 (zuletzt bearbeitet: 19.09.2013 16:30)
#15
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[i]Zitat von Rainman2 in #11[/i]

Da denke ich an einige Ewignörgler, die Systemträgern immer noch mangelnde Selbstreflexion ihrer damaligen Handlungen vorhalten. Ja, was sollen sie denn sonst noch tun oder sagen ? Irgedwo hat´s seine Grenzen, die Selbstgeißelung. Ich vermisse ähnliche Selbstkritiken von zur Wendezeit ebenso genau entgegengesetzt agierender Bürgerechtler und wie sie ihr Engagement heute sehen, nachdem so ziemlich die meisten ihrer Ideale den Bach runtergegangen sind und ganz andere Leute aus den hinteren Reihen oder erst auf den schon fahrenden Zug Aufgesprungene das Sagen haben. Leute, die keinerlei Repressionen mehr zu befürchten hatten, als sie sich öffentlich bemerkbar gemacht haben. Ich meine nicht diejenigen, die in der großen Masse mitdemonstriert haben und nun desillusioniert sind, ich meine die Aktivisten, die Organisatoren, die zu den führenden Köpfen zählenden. Vermutlich wird aber keiner in diesem, für viele dieser menschen etwas linkslastigem Forum Mitglied sein.


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