Forum DDR Grenze- DDR Zeitgeschichte Online » + » DDR Staat und Regime » Der 04. November 1989 - Demo auf dem Alex

Ich nehme Stefan Heyms Beitrag zu dieser Demonstration als Aufhänger für den für mich persönlich wichtigsten Tag der Wende. Es wird hier oft gefragt, warum wir bis zum Ende mitgegangen sind. Dieser Tag und diese Demonstration sind eine wichtige Antwort darauf. Es war die Hoffnung, die Stagnation zu überwinden, den alten Müll loszuwerden, selbst eine Lösung zu finden. Die Hoffnung war sehr kurz, aber sie war sehr intensiv. Stefan Heym, der "Nestor unserer Bewegung" - wie er angesagt wurde, sprach mir an diesem Tag aus dem Herzen.
"Liebe Freunde, Mitbürger. Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen ..."
Er sprach über den aufrechten Gang ... ja, das nahm ich auch für mich in Anspruch. Ich habe damals die Dimensionen meines Tuns, Denkens und Handelns noch lange nicht überblickt. Ich bin heute ein paar Schritte weiter, aber wer weiß, ob ich das je wirklich kann - oder will. Manches will man in seinem Herzen begraben. Aber gefühlt habe ich, dass es Dinge gibt, die geschehen müssen, damit ich Menschen wieder offen in die Augen blicken kann. Und da kommt dieser alte, weise Uhu und richtet auch mich wieder etwas auf.
Es ist fast wie das Satyrspiel nach den Dramen, dass die DDR endet, und das was historisch von ihr bleibt, nicht die klugen Worte und das besonnene Handeln dieses 04. November 1989 waren, sondern das Gestotter eines unfähigen SED-Funktionärs fünf Tage später. Es gibt vielleicht Menschen, die das so sehen wollen. Meine Geschichte stellt den 04. über den 09. November. Und daran möchte ich hier erinnern. Anbei der Beitrag von Stefan Heym:
Wie habt Ihr diesen Tag erlebt? Wer von Euch war dort?
ciao Rainman
Genau so war es und so wird es bleiben auch in meiner Erinnerung. Ich sah die Demo im TV und es war das Wort Hoffnung, was als Überschrift steht. Ob der unheimlichen Masse an Menschen und der bewegenden Worte eines Heym oder einer Spira sind die Augen feucht geworden. Vielleicht können "wir" noch etwas reißen. Eigentlich eine Illusion, aber für diesen Moment kurz wieder denkbar.
friedliche Grüße Andreas
Habe diese Veranstaltung ausserhalb der DDR im Fernsehen erlebt.Mir fehlte zwar der direkte praktische Bezug zur inneren Entwicklung in der DDR zu diesem Zeitpunkt, trotzdem versuchte ich mir immer ein reales Bild zu verschaffen.Hatte die DDR zu diesem Zeitpunkt seit etlichen Jahren nicht mehr von innen erlebt und daher andere Wahrnehmungen.
Die Veranstaltung hat sicher vielen aus der Seele gesprochen und war längst überfällig,Das hätte aber Jahre eher passieren müssen und etliche Deformierungen in der Gesellschaft der DDR hätten vermieden werden können.Hoffnungen wurden nochmal kurzfristig geweckt,der Zug fuhr aber schon auf einem anderen Gleis,dirigiert von Weichenstellern ausserhalb der DDR.
Na klar,hätte,wäre,könnte......
Am 4.Nov.1989 waren die Messen längst gelesen.
Mancher, mit denen ich an diesem Tag diese Sendung vor dem Bildschirm erlebte,hatte zu diesem Zeitpunkt seine persönlich abgesteckten Pläne für die nächsten Monate in der DDR schon in der Tasche.
seaman
"Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen ..., den Jahren von Dumpfheit und Mief und bürokratischer Willkür, von amtlicher Trägheit und Taubheit...
... Wir haben in den letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit überwunden und sind jetzt dabei, den aufrechten Gang zu lernen."
Als ich die Thread-Eröffnung sah, mußte ich auch sofort an Stephan Heym denken.
Ich war dabei! Mit meiner damals zweieinhalbjährigen Tochter auf den Schultern.
Nicht ahnend, was für eine gewaltige Veranstaltung das werden würde, hatte ich sie mitgenommen. Doch was ich erlebte, ließ mich die 15 Kilo auf dem Buckel vergessen.
Was für einem Volk gehörte ich an!
Keine Duckmäuserei vor den Größen des Staates (Schabowski, M. Wolf), Künstler nehmen das Wort vor Hunderttausenden (Spira, Liefers, C. Wolf), kritische Geister, die über jeden Zweifel bezüglich Staatsnähe erhaben sind (Heym, Schorlemmer), suchen den Schulterschluß mit den Bürgern.
Entschlossene Menschen in großer Zahl, ernsthafte friedliche Bürger und dabei noch humorvoll!
Ich begriff, daß - was immer danach kommen mochte - dies einer hoffnungsfrohesten und wichtigsten Tage meines Lebens sein würde.
Ich war nicht mehr nur Objekt der Geschichte sondern Subjekt in ihr (wie die anderen Hunderttausende auch) - für einen Augenblick!
Manche damals ausgesprochene Hoffnungen (auch meine) erfüllten sich später nicht ... konnten sich nicht erfüllen.
Dennoch war es für mich aufgrund des überwältigenden persönlichen Erlebens der Tag der Wende.
Elch
Oh ja @Rainman2, auch ich stelle den 4. November in seiner Bedeutung über den 9. November. Und es erfüllt mich mit einem gewissen Stolz, daß ich für dieses Ereignis Flugblätter verteilt habe. Die Demo auf dem Alex wurde zum vollen Erfolg. Hier verspürte man mehr den Geist der Revolution als später an den Runden Tischen. Ich hatte mich der linken Opposition angeschlossen, welche sich als "Böhlener Plattform" konstituierte und als Bürgerbewegung noch vor dem Neuen Forum existierte. http://www.ddr89.de/ddr89/vl/appell.html
Gruß Hartmut!
Zitat von Rainman2 im Beitrag #1
Ich nehme Stefan Heyms Beitrag zu dieser Demonstration als Aufhänger ........
Wie habt Ihr diesen Tag erlebt? Wer von Euch war dort?
ciao Rainman
Ich habe die ganze Demo in WB leider "nur" am Fernseher verfolgt. Dafür trieb ich mich in diesen Tagen vor der Gethsemane-Kirche bei den Mahnwachenden herum. Fast eine Million Menschen auf dem Alex! Es war etwas Großartiges. Ein Plakat ist mir noch besonders in Erinnerung. "Laßt Euch nicht auskrenzen!" - Die Plakate wurden ja dann eingesammelt und irgendwo (?) ausgestellt....
Danke "Rainman", daß Du an diesen Tag erinnerst!
Liefers:
http://youtu.be/IRFeltARl9c
Erinnerungen von Jan Josef Liefers
- "Dann wird's das wohl gewesen sein mit der DDR"
http://www.rbb-online.de/extra/25-jahre-...ef_Liefers.html
Spira:
"lch wünsche für meine Urenkel, daß sie aufwachsen ohne Fahnenappell, ohne Staatsbürgerkunde, und daß keine Blauhemden mit Fackeln an den hohen Leuten vorübergehen"; außerdem forderte sie unter tosendem Beifall die DDR-Führung zum Rücktritt auf. Steffi Spira, letzte Rednerin am 4.11.1989, Berlin, Alex
http://youtu.be/nKdNz6x6TBg
Wolf Biermann hatte man an diesem Tag noch die Einreise nach Ostberlin verweigert.
Zitat von Rainman2 im Beitrag #1
Es war die Hoffnung, die Stagnation zu überwinden, den alten Müll loszuwerden, selbst eine Lösung zu finden. Die Hoffnung war sehr kurz, aber sie war sehr intensiv.
"Liebe Freunde, Mitbürger. Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen ..."
Hallo @Rainman2 ,
mich würde mal interessieren, woran du persönlich diese Stagnation festgemacht hast. Also, an welchen Ereignissen, Begebenheiten, usw.
Ich sehe das auch so, das eigentlich da eine große Chance vertan wurde.......
Ein entmündigtes Volk fand nach 40Jahren wieder seine Stimme.
Hier mal ein kurzes Viedeo für die ehemaligen Auslandskader und Uniformträger über die Verhältnisse in meiner Heimatstadt Leipzig und ihre mutigen Menschen.
Eines ist sicher, ohne 9. Oktober in Leipzig , keinen 4.November in Berlin.

Zitat von Schuddelkind im Beitrag #8
...
Hallo @ Rainman2 ,
mich würde mal interessieren, woran du persönlich diese Stagnation festgemacht hast. Also, an welchen Ereignissen, Begebenheiten, usw.
Ich sehe das auch so, das eigentlich da eine große Chance vertan wurde.......
Hallo Schuddel,
das ist eine schwere Frage, insofern die Aufzählung lang und dennoch unvollständig sein würde. Der Grundtenor wurde bestimmt durch die Signale aus der Sowjetunion. Da brach ein System auf. Die Frage war immer: Und wann brechen wir auf? Es gab Dinge, die ich persönlich erlebt hatte (nur ausgewählte Beispiele):
- Der Verfall der Altbausubstanz, den ich in Leipzig sehr unmittelbar erlebte (durchgebrochene Deckenbalken in unserer Küche etc.). Dem stand ein Neubauprogramm gegenüber, das nicht mal mehr dem Verfall etwas entgegenzusetzen hatte. Als 1987 bei einer Führung in einem Baukombinat erfuhr, dass inzwischen die Zeiten bis zur Komplettsanierung für ein Neubaudach bei 10 Jahren und für den Neubau selbst bei 40 Jahren lagen, wurde mir schon etwas anders. Das war nicht zu bewältigen. Trotzdem hielten die Erfolgsnachrichten ständig an.
- Die Qualität der Lehrveranstaltungen an der Militärpolitischen Hochschule während meines Diplomstudiums 1988-1990. Nur eine kleine Episode, die mich aber mehr als nachdenklich gestimmt hat: Bei einer Vorlesung im Fach Dialektischer und Historischer Materialismus (Philosophie) holte der Dozent sein Vorlesungsmanuskript aus der Tasche. Plötzlich brach eine Ecke des Papiers ab. Richtig: Sie brach ab, sie riss nicht. Das erschien mir in diesem Moment wie eine Allegorie auf das gesamte Herangehen in Staat und Partei an die aktuellen Entwicklungen.
- Das Auftreten von Kurt Seibt an unserer Hochschule. Ich kann mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Damals gehörte der Begriff Fremdschämen noch nicht zu meinem aktiven Wortschatz. Ich weiß auch nicht, ob es das so richtig getroffen hätte. Aber in einer Partei, für die ich als hauptamtlicher Parteiarbeiter tätig war, gab es Leute, die nicht das Kleinste der aktuellen Entwicklungen zu begreifen schienen und die damit noch öffentlich auftraten. Ich erinnere mich noch an den Blick und die Worte eines Studienkollegen: "Sag mal, das letzte, was der mitbekommen hat, war doch der Mauerbau, oder?!"
- Das Auftreten von Egon Krenz und Günter Schabowski 1989 an unserer Hochschule. Ich hatte in Bad Salzungen einen Ersten Kreissekretär erlebt, der kritisch und lebendig mit den Problemen in seinem Kreis umgegangen war (siehe Landolf Scherzer "Der Erste" - Aufbau Verlag, ISBN 3-7466-1241-1). Es ging doch, auch in dieser Partei. Und nun standen Spitzenfunktionäre da, die man nicht, wie vielleicht noch bei Kurt Seibt, mit ihrem Alter entschuldigen konnte. Keine Reflexion zu den Vorgängen im Land, keine Reflexion zu Glasnost und Perestroika. Einfache Hau-Drauf-Agitation im Sinne von "Die Partei hat immer recht".
- Der von der Armeeführung gedeckte selbstherrliche Umgang mit Studieninhalten und Studierenden an der Militärischen Hochschule. Nicht die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse waren die Treiber der Lehre, sondern ein Dogma, das gerade durch Glasnost und Perestroika in Frage gestellt wurde. Es gab wenig Erkenntnisse, fast nur Durchhalteparolen. Das verstand ich nicht unter einem Studium und nicht nur mir ging es so. Der General bestimmte, seine Stellvertreter und Lehrstuhlleiter kuschten.
- Der Umgang mit der Kunst ...
Hier breche ich ab. Ich will nicht noch weiter weg vom eigentlichen Thema - der Demonstration.
Und in solche Momente, in solche Zweifel, in solche Verzweiflung zum Teil schon, kommt ein Stefan Heym und sagt: "Wir wollen einen Sozialismus, der den Namen auch verdient." DAS sprach mir aus dem Herzen. Da ging es nicht um Chancenbewertung. Es ging um die frische Luft, die man atmen konnte.
ciao Rainman

Habe die Demo und die Reden am FS verfolgt, mir ist dabei eines klar geworden, lange wird es die führende Rolle der SED nicht mehr geben.
In den Betrieben gärte es, jeder sagte seine Meinung, ohne Rücksicht evtl. Nachteile zu ernten.
Die sonst die großen Reden führten, versteckten sich.
Ich mußte bei dieser Manifestation unwillkürlich auch an den Ausspruch von Ernesto Che Guevara denken - "Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche."
Zu diesem Zeitpunkt war für mich schon die Entscheidung gefallen, in welche Richtung der Zug fahren wird. Die Weichen dafür waren bereits gestellt und der Zug befand sich schon auf diesem Gleis und nahm zunehmend an Fahrt auf. Bereits bei den Montagsdemos am 16.10.1989 und 23.10.1989 in Leipzig war dies erkennbar.
Ich vergleiche diese Zeit immer mit der Situation, in der sich ein bereits schwer verwundetes Tier im Todeskampf befindet und seine Erlösung nur noch durch den Gnadenschuss erhält, der ja dann auch erfolgte.
Man muß aber diesen 4. November im Kontext der Ereignisse des Herbstes 1989 sehen und betrachten, wie auch von seiner Bedeutung her richtig bewerten. Vorangegangene Beiträge haben dieses schon sehr eindrucksvoll unterstrichen.
Es war nicht nur die Überwindung der Stagnation, der Phase der Sprachlosigkeit, es war mehr, was da am 4. November 1989 auf dem Alex aus allen gesellschaftlichen Schichten der DDR zum Ausdruck gebracht wurde. Aber man kann an einem Tag nicht die Fehler, Verkrustungen und Verbiegungen, die über einen geschichtlichen Zeitraum erfolgten aufarbeiten.
Diesbezügliche Chancen und Möglichkeiten gab es genügend, nur wurden die Zeichen der Zeit nicht beachtet, auch der Arroganz der Macht geschuldet. So gesehen und betrachtet, stimmt wiederum die Aussage, wer zu spät kommt, den betraft das Leben.
Vierkrug

Heute vor 25 Jahren, es war damals ein Sonnabend, befand ich mich inmitten in einer riesigen Menschenmenge Ecke Moll/Karl-Liebknecht-Strasse.
Ich war mit einigen Freunden dort verabredet, keine Chance sie zu finden.
Irgendwann setzte sich die Menschenmassen in Bewegung, so gegen 10 Uhr, und wir liefen die Karl-Liebknecht-Strasse Richtung PdR lang.
Formal erinnerte dieser Demonstrationszug durch die Vielzahl der Plakate und Transparente an die allseits bekannten Aufmärsche zu den Jubeltagen wie 1.Mai oder 7.Oktober und doch war es völlig anders.
Es wurden eben nicht Plakate und Transparente mit den ein paar Tage vorher im Zentralorgan veröffentlichten und damit genehmigten Parolen herumgetragen, sondern selbstgestaltete, selbstverfasste Sprüche, Losungen und Bilder zeugten von einer ungeheuren Kreativität und Witz der Macher.
Ein weiterer, wichtiger Unterschied, diese Plakate und Transparente wurden freiwillig und gerne getragen, keiner wurde dazu verdonnert wie sonst solch ein Ding an einer Tribüne vorbeizuschleppen.
Nicht so Erinnern kann ich mich ob viele Fahnen in der Menge waren, ich vermute mal eher weniger. Fahnen gab es schon und eine ist mir in Erinnerung geblieben weil ich sie damals im ersten Augenblick nicht zuordnen konnte, eine Schwarz/Rote Flagge mit einem schwarz/rotem Stern, drumherum lauter schwarz gekleidete , junge Menschen. Heute weiß ich; Schwarzer Block, vereinten Linke, Anarchosyndikalisten friedlich vereint.
Zu Beginn der Demonstration, als wir alle losliefen hatte ich ehrlicherweise, und ich glaube nicht das ich da der Einzige war, ein leicht mulmiges Gefühl ob dem was eventuell passieren könnte. Die Ausschreitungen um den 7.Oktober war in den Köpfen der Menschen noch gegenwärtig.
Man merkte förmlich die angespannte Stimmung zum Anfang.
Es war kaum Polizei zu sehen und wenn beschränkte sich ihr handeln darauf den Autoverkehr zu stoppen.
Die gesamte Strecke war mit den freiwilligen Ordnern gesäumt, gut erkennbar an ihren Schärpen mit den Worten "Keine Gewalt".
Schnell verflog die anfängliche Anspannung und der schon oft propagierte aufrechte Gang wurde zelebriert.
Jedes besonders witzige Plakat oder ein treffender Spruch wurde von der Menge begeistert bejubelt und beklatscht.
So zog die Demonstration bis zum Palast, schwenkte auf den Platz davor und demonstrierte am Palast vorbei. Ich glaube das die Politbüromitglieder welche kürzlich entmachtet oder noch in Amt und Würden waren gelb vor Neid wurden als sie sahen das eine unüberschaubare Masse, freiwillig!!!, an der im Palast integrierten Tribüne (an der rechten Seite zum Staatsratsgebäude hin) welche für sie vorgesehen war, vorbeizogen. Der ganze Umlauf im ersten Stock des Palastes war von Demonstranten besetzt und voll mit Plakaten und Transparenten.
Vom Palast ging es dann über die Breite Strasse, Mühlendamm und Grunerstrasse oder durch die Rathausstrasse zum Alexanderplatz.
Selber bin ich über Mühlendamm/Grunerstrasse gelaufen und bin auf dem Alex ziemlich in die Nähe der Tribüne gekommen welche vor dem Haus des Reisens aufgebaut war. Ich muß so kurz vor der Alexanderstrasse gestanden haben, gegenüber vom Haus des Reisens.
Leichte Verblüffung das das Gelände mit Fernsehkamaras bestückt war, das die Kundgebung im Fernsehen live übertragen wurde war an mir vorbeigegangen, hatte ich echt nicht gewußt.
Der ganze Platz und die angrenzenden Strassen waren voller Menschen.
Wieviel es letztendlich waren die sich auf dem Alex versammelten, darüber streiten heute noch die Gelehrten.
Es war insgesamt beeindruckend. Es war auch beeindruckend welche geballte Verachtung in Form von Pfeifkonzerten und Buhrufen den Vertretern der "Macht", die sich jetzt als Reformer darstellten, entgegen wehte.
Vielleicht ist den klügeren unter ihnen in diesem Moment klar geworden das sie jegliches Vertrauen beim Volk nachhaltig verspielt hatten. Zugute halten möchte ich ihnen das sie nicht Fluchtartig die Bühne verließen, sondern sich der Verachtung der Masse stellten.
Was mich allerdings einen Tag später wirklich entsetzte waren die geäußerten Meinung meines Onkels und seiner Frau, er in einem Ministerium arbeitend, das da auf dem Alex waren ja offensichtlich alles Konterrevolutionäre und diese Demo wäre eine Schande für jeden DDR Bürger. Hm irgendwie hatten sie wohl den Schuß im Lande nicht gehört ......
Aber am 10. oder 11. November hat sie nichts gehalten die Jahrelang verleugnete Westverwandtschaft überfallartig zu besuchen .......
Gruß
Nostalgiker
Zitat von Vierkrug im Beitrag #12
(............................
Ich vergleiche diese Zeit immer mit der Situation, in der sich ein bereits schwer verwundetes Tier im Todeskampf befindet und seine Erlösung nur noch durch den Gnadenschuss erhält, der ja dann auch erfolgte.
..................................)
Vierkrug
Ich finde dieser Vergleich ist nicht ganz passend.
Das "verwundete Tier" agierte zu dieser Zeit noch ganz nach erlernten Mustern. Nur hatte es eines seiner mächtigsten Waffen verloren. Die Angst seiner Bürger.
Die DDR Bürger waren noch lange auf Informationen aus den westlichen Medien angewiesen um zu erfahren was wirklich in ihrem Land passierte und
der Begriff "feindlich negativ" war noch gängige Ausdrucksweise in den Berichten des MfS.
Es ist immer das Gleiche. Ob nun in der DDR ; Tunesien oder der Ukraine, erst wollen die Menschen nur mehr Brot und wenn der Bäcker sich weigert , stürmen sie die Bäckerei.
"Es ist immer das Gleiche. Ob nun in der DDR ; Tunesien oder der Ukraine, erst wollen die Menschen nur mehr Brot und wenn der Bäcker sich weigert , stürmen sie die Bäckerei."
An diesem einen Tag ging es den Bürgern nicht um Brot sondern um das "Öffnen der Fenster" und die "frische Luft" (siehe Stefan Heym) - so zumindest mein Eindruck!
Das hat mich ja so froh gestimmt: kein Gemäkel über Materielles (so berechtigt es auch gewesen wäre) sondern Aufbruchstimmung, Hoffnungen und Visionen!
Elch