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#1 Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von 22.02.2014 00:55

Kurzes Vorwort.

Mit freundlicher Erlaubnis unseres Users @Zeitzeuge1969,mit welchem ich korrespondiere,stelle ich hier seine Fluchtgeschichte 1:1 ein,welche er in einem Blog niedergeschrieben hat.

Danke Siggi und lass mal wieder von Dir hören.
Eventuell kannst Du ja bei Fragen zu Deiner Flucht hier in Deinem Thread noch tätig werden.

Dem Rest der Leserschaft ein spannendes schmökern.

Gruß ek40


Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969

1a) Vor-Information


Vielleicht erinnern sich noch damalige Soldaten an mich, das Alter müsste heutzutage im Jahr 2014 an
die 64 Jahre sein. Ich hatte damals in der Halberstadt-Kaserne den Spitznamen : Storchi

MEINE- NVA -DATEN :

- Musterung in der Heimatstadt Dessau: Wehrpflichtiger Soldat

- Bei der Einberufung wurden wir von Dessau mit einem Sonderzug
zur Insel Rügen zum Ort Kap Arkona gebracht .

- Nach ein paar Tagen wurden wir dort aufgeteilt in
verschiedene Orte der DDR. Im Zug erfuhren wir das Ziel Halberstadt - Grenzausbildung im
Vor-Harz-Gebiet.
- Mai 1969 Grundausbildung 6 Monate im Grenzregiment Halberstadt ( gleich neben dem russischen
Panzerregiment).
- Ende Okt.69 Grenzdienst im Abschnitt Grenzkompanie Osterode / Sachsen-Anhalt im Kreis Osterwieck
- Flucht 14 Tage später.

2 ) FLUCHT-Gedanke

Der war schon immer da.
Das war mein Geheimniss, davon hatte ich niemanden erzählt.
Ich war Ledig und sah mein weiteres Leben in Westdeutschland.




2 a ) FlUCHTGRÜNDE : Der DDR-Alltag :
Ständiges Nerven mit SED-Parteiparolen / Bevormundung / Einschüchterung / Bespitzlung / Schlechtes Einkaufsangebot / Reisemöglichkeiten in sozialistische Länder durch wenig Geldumtausch eingeschränkte Aufenthaltsqualität / West-Reiseverbot und West-Presseverbot , ständige Feindbild-Hetze gegen die BRD.


3) IM GRENZ-DIENST



Ich war 6 Monate in der Grundausbildung in Halberstadt , ab dem 27.Okt.1969 in der Grenzkompanie Osterode zum aktiven Grenzdienst eingesetzt.
Hinweis : bei Google-Suche: Osterode / Sachsen-Anhalt eingeben, denn es gibt in Niedersachsen
auch ein gleichnamigen Ortsname, dort mit Zusatz " im Harz ".
Osterode im Harz.





4 ) MEIN freier TAG in der Grenzkaserne

Wir hatten 1x in der Woche ,die Möglichkeit in die Dorfkneipe zu gehen. Es mussten mehrere Soldaten sein , alleine durfte man nicht dort hin. Ein diensthabender Soldat mit Gewehr war immer mit dabei u. saß stillschweigend in der Kneipe und paßte auf , das keiner von uns allein aus die Kneipe raus ging.

Ansonsten hatte man sich im Kasernen -Clubraum mit DDR-Fernsehen, Lesen , Tischtennis oder mit Briefe schreiben, die Freizeit verbracht.

Raus auf das Kasernenhof war streng verboten.
Anmerkung : Ich erhielt ein E-Mail-Schreiben von einem Grenzer , das es in den 70 ziger Jahren keinen Kasernen-Gelände Verbot gab in dieser Grenzregion und sie durften allein die Kaserne verlassen.
Also muss das zu meiner Zeit eine besondere Ausnahme gewesen sein. Die so genannte Arschkarte ^^


In Halberstadt in der Grundausbildung durfte man aufs Kasernengelände in der Freizeit.

Übrigens : Das Kameraden-Klima war ok. Der Speiseplan war ok .

5 ) MEIN Fluchttag am 14.November 1969 um gegen 18:00 Uhr

Ich hatte schon immer geplant ,an meinen freien Tag aus der Kaserne zu flüchten . Die Freizeitklamotte war der Trainingsanzug . So ging ich stiften, aber ohne Waffe, denn die war in der Waffenkammer eingeschlossen und wurde nur im Grenzdienst ausgehändigt.( Ich betone das für die Leser , die nicht im Grenzbereich waren).

Ich musste nun unentdeckt aus der Grenzkaserne raus , denn wie schon erwähnt war das Betreten vom Kasernenhof verboten.
Mein Ziel war erstmal über den Zaun von der Kaserne zu kommen
Meine Unterkunft war im ersten Stock, und dort aus dem Fenster ging nicht , wegen der Höhe .
Also kletterte ich aus dem WC-Raumfenster im Erdgeschoss . Zum Glück hatten die Fenster noch kein Eisengitter.
Als ich alleine im WC-Raum war, schaute ich aus dem Fenster nach oben, ob keiner aus dem Fenster schaute ,und sich kein diensthabender Soldat an den Garagen aufhielt.
Ich möchte noch erwähnen, das ich deswegen meine Flucht um eine Woche verschoben hatte, weil an den Garagen , diensthabende Autofahrer waren. Auch musste ich darauf achten, das die zwei Wachposten, die regelmäßig in Zeitabständen das Gebäude umgingen, vorbei waren.
Außerdem war Nachts die Kaserne mit einem Hundelaufseil abgesichert. Zu meiner Fluchtzeit gegen 18:00 Uhr waren noch keine Hunde angeseilt.
Der Kasernenstandort war am Ortszipfel Südwest und nicht am Ortszipfel Südost, wie in einem Googlefoto falsch angegeben.




In der Tagesdienstzeit-Einteilung ,waren weniger Grenzposten an der Grenze, ich wusste ungefähr , wo die ihre Positionen hatten , und die warteten um diese Uhrzeit auf ihre Ablösung.
So ganz sicher war ich mir auch nicht.
Dann gab ich mir ein Ruck jetzt oder nie und kletterte aus dem Klofenster und ging mit normalen Schritten in Richtung Garagen, wo gleich dahinter der Kasernenzaun aus Brettern war.
Denn mit schnellen Laufschritten hätte ich mich verdächtig gemacht
Den 2,50m Kasernenzaun zu überklettern war überraschend bequem( kannte vorher diese Ecke nicht ), weil da allerhand Krempel mit Kisten rumstanden und kleine Geräteschuppen waren wie eine Leiter.
Und der Hund blieb ruhig,seltsam oder er war wo anderst unter gebracht .
Ich hockte auf dem Schuppendach , mich sehen konnte niemand vom Gebäude aus , aber ich fühlte mich trotzdem unsicher.
Mich hätte auch jemand beobachten können und mir nach schleichen können zur Festnahme.
Und mir war klar ,das ich meine Eltern,Bruder,Verwandte und Freunde nicht mehr wieder sehen kann in unbestimmter Zeit.
Aber ich war fest entschlossen , raus aus dem Volksgefängniss DDR. Die einmalige Möglichkeit zu nutzen.

Jetzt musste ich am Ortsrand von Osterode vorbei und die Landstraße überqueren, mit dem Straßenlicht, was wieder ein Risiko war. Die Landstraße führte ortsauswärts Richtung Westen nach Hornburg in Niedersachsen. Und an dieser Landstraße ungefähr in 500 m Entfernung war der Grenzzaun, der die Landstraße sperrte.
Und dort war im Gras eine Positionsstelle für Grenzsoldaten.

Ich überquerte in geduckter Körperhaltung diese Landstrasse, der Bodennebel im Nov. gab mir gewissen Schutz und bin dann im ungefähr 300 m Abstand von dieser Straße geradeaus übers Zuckerrübenfeld in Richtung Grenze zu dem Ziel, das Eisentor im Grenzzaun. Ich wusste dort sind keine Minen gelegt, weil dort Fahrzeuge zB. wegen Rasenmähen bei Bedarf lang fahren konnten .Auf Holzschilder im bestimmten Abständen stand " Achtung Minen "
Ansonsten bestand die Grenze aus zwei Stacheldrahtzäune ,dazwischen waren Drahtrollen und Minen gelegt.
In tief geduckter Haltung verhielt ich mich wie ein Tier, also bewegte ich mich mal schnell mal langsam.
Plötzlich hörte ich ein Schuss, und dachte : jetzt haben die mich entdeckt und verharrte in Kniestellung.
Das Rübenfeld mit seinen Blättern und der Bodennebel gaben mir Tarnung.

Der Schuss ,was war das, eine Leuchtkugel ,die nicht funktionierte ?. Ich redete mir ein, die sehen in mir ein Tier und versuchte mich so zu verhalten und kroch dann nach ein paar Minuten langsam weiter und es waren nur noch paar Meter bis zu diesem rettenden Eisentorzaun. Die Grenze war damals nicht beleuchtet. Die Anlage stammte aus den 50 ziger oder 60 ziger Jahren.
Und dann musste ich noch auf die Stolperdrähte( Signaldrähte ) achten, die ein paar Meter vor dem Grenzzaun in Höhe von ungefähr 30 cm gespannt waren. Wenn man da ran kam ging was los,entweder Leuchtkugel oder es gab das Alarmsignal in der Grenzkaserne. Ein unkundiger Flüchtling würde dagegen stolpern und wäre entdeckt.
Ich stand direkt nun vor das ersehnte Eisentor und sprang wie Affen gekonnt dort hoch ,ich war ja sportlich fit durch diese Militärausbildung.
Dann über den 10 Meter breiten Kontrollsandstreifen und dem zweiten Grenzzaun.
Ich war im Westen !!!
Jedoch fühlte ich mich noch unsicher und lief ungefähr 200 m und ruhte mich dann ein paar Minuten aus mit Blick in den Osten und lauschte in die Gegend. Es war eine gespenstische Stille. Ich hätte ja schreien können, hey, ich habs geschafft zum Westen.Nur gut ,ich habe es nicht gemacht, das hätte mir heutzutage wirklich Leid getan , schließlich haben die ehemaligen Kameraden unfreiwillig diesen Dienstbefehl ausgeübt. Aber ich hatte in dieser Stille meine Freude genossen. Meine Blicke in Richtung Osten habe ich mir damals bewusst in meinen Kopf "eingehämmert ".Wenn ich meine Augen zu mache, habe ich das Dunkelgraue Blickfeld bildlich vor mir.
Ich denke mal, wegen meiner Flucht konnte niemand von den Kameraden zur Rechenschaft gezogen werden, denn die Absicherungen waren damals nicht perfekt.Oder gab es doch Strafe ? Würde über diese Situation mehr wissen wollen.Damals hatte ich mir darüber keine Gedanken gemacht.
Und ich ging dann erleichtert im bequemen aufrechten Gang weiter in Richtung den fernen Straßenlichtern entgegen.
Aber das waren noch 3 Km übern Acker.
An meinen Schuhen klebte dicke Erde vom West-Acker, die ich ständig abstreifen mußte. Daran erinnere ich mich sehr.


TEIL 2 = MEIN ERSTER KONTAKT IN der WEST-ORTSCHAFT : Hornburg (Nahe der Stadt Vienenburg )


Bericht :
Ich lief nach dem Überwinden des Durchlass-Tores , immer gerade aus über Äcker.
Rechter seitig sah ich die Ortslichter von Seinstedt in einem Tal ,aber als Ziel sah mir das zu weit aus, nach Googlesuche waren das 3 km. Der Gang über die Äcker war hügelreich, so das ich keine Weitsicht hatte. Ich hatte damals kein Zeitgefühl, und mir war wichtig , das ich in kein Waldgebiet komme.
Dann sah ich endlich am Horizont Lichter . Damals wusste ich nicht , das es Hornburg ist .
Nach Google-Information , waren es 3 Km von der Grenze. Von der Grenzer-Kaserne bis zur Grenze waren es 700 m.
Ungefähr 300 m links gleich hinter der Grenze verlief weiter die Landstrasse, die Verlängerung aus dem Osten die Osteroder Landstrasse. Heutzutage ist ihr Name wieder Hornburger Landstrasse.
Und ich traf auf die erste davon rechts abzweigende Querstraße mit Namen aus Google Information
" Auf dem Kamp" "Bruchweg" "Auf dem Horn ".
Also diese Querstrasse in 3 Namen eingeteilt .Welcher Name zutrifft weiß ich nicht.
Ich vermute ,Auf dem Kamp " .Ich schreibe hier das so genau, vielleicht benutzt ein Interessierter Leser dieses Google Maps.
Vor einem Haus stand ein VW Käfer mit blauen Lampe auf dem Dach. Ich dachte gleich , das das eine gute Anlaufstelle wäre.
Ich klingelte am Vorgartenzaun und aus einer Sprechanlage hörte ich eine unfreundliche männliche Stimme : Was ist denn jetzt schon wieder. Ich antwortete so ähnlich: Ich bin ein geflüchteter DDR Grenzer, können sie mir weiter helfen.
Die Stimme sagte dann erstaunt mit einem langen waasss, kommen sie rein, und der Türöffner summte Sturm.
Ich wurde freundlich ins Haus gelassen und er sagte , er ist bei der Polizei und das ist sein Privathaus. Seine Frau brachte dann ein Teller mit gestappelten Wurst/ Käse Aufschnittbroten und Fruchtsaft und ich war innerlich so aufgeregt, das ich nur eine Scheibe Brot aß.
Der Polizist ,verständigte dann den BGS .Nach meiner heutigen Google Info , müsste es die Grenzschutzabteilung Ost 4 Braunschweig gewesen sein und ich wurde befragt , unter anderem nach dem Ort der Militärischen Grundausbildung und ab wann ich in Osterode bin und wie der Hauptmann der Grenzkompanie heißt in Halberstadt und Osterode.
Dann wurde ich am selben Abend mit einem BGS Jeep Typ DKW Mungo seitlich offen , von einem gleichaltrigen Fahrer des BGS nach Helmstedt gefahren. Der Fahrer war in guter Laune und sprach von seinem Wochenend-Urlaub und zeigte mir in die Ferne die Lichter von seiner Wohnortschaft.
Über meine Situation fragte er nichts, vielleicht durfte er das auch nicht. Aber er sagte lachend, ich solle keine Angst haben, das ich nach Helmstedt gebracht werde, wegen dem Grenzübergang. Nö, nö, ich habe volles Vertrauen , sagte ich so ungefähr.
Ich wurde in einem katholisches Gästehaus gefahren, was hauptsächlich für DDR Rentner genutzt wird, die keine Verwandte im Westen hatten. Damals waren dort keine Anwesend.
Ich war dort 4 Tage und wurde von meinem NVA Trainingsanzug erlöst und bekam 1x nötigste Zivilkleidung.
Und unternahm am damaligen Sonntag allein einen Spaziergang durch Helmstedt. An diesem Tag waren wenig Leute unterwegs und die Stadt wirkte wie ausgestorben. Und fühlte mich ziemlich einsam aber auch glücklich dankbar , das ich es unbeschadet nach Westdeutschland geschafft hatte .Meine vielen optimistischen Gedanken konnte mir niemand nehmen. Der nächste Tag wurde lebhafter.
Mit einem VW Kleinbus wurde ich dann an 2 Tagen zur englischen Militär gefahren und bekam 5 DM für jede Antwort der Befragungen. Ich wurde darauf Hingewiesen, das ich auch Antworten verweigern darf.
Hauptsächlich waren die Fragen aus meiner Geburtsstadt Dessau. Wie die Flussbrücken aussehen und wieviel Kirchen es dort gibt und welche Werke und Fabriken und ähnliches.
Unter anderem, wollten sie auch sicher sein, das ich ein echter Flüchtling bin, denn es gab auch Fälle, das Westdeutsche sich als Flüchtlinge ausgaben, um mit einer neuen Identität zu leben.
In diesem Gästehaus bekam ich dann eine Zugfahrkarte mit 15 DM Verpflegungsgeld nach Gießen zum Notaufnahmelager.
Und zur großen Überraschung musste ich 3 Kinder im Alter von 14 Jahren mit nehmen.
Sie sind auch geflüchtet irgend wo im Braunschweiger Grenzgebiet , die Ortschaft habe ich vergessen. Die wohnten im DDR Sperrgebiet. Die wussten auch , das DDR Grenzer nicht auf Kinder schießen dürfen und nutzen das aus.
Ihre Angst war , das sie als Kinder zurück geschickt werden könnten. In Gießen gab es Schutzimpfungen und weitere Kleidung aus einer Spendenkleiderkammer für mich und 150 DM Startgeld.
Nach gut 1 Woche konnte ich das Notaufnahmlager verlassen und meine erste Arbeitsstelle hatte ich in Heilbronn und wohnte in einem Jugendhaus, diese Adresse bekam ich vom Notaufnahmelager, blieb dort nur ein paar Monate.Ich sollte mich bei der Einwohnermeldestelle Heilbronn mit den Unterlagen von dem Notaufnahmelager Gießen anmelden . Ich schrieb meine Mutter , mir die Geburtsurkunde zu senden. In einem Paket mit Unterwäsche und Handtücher und Weihnachtsstollen versteckte sie meine Geburtsurkunde ganz unten.Somit konnte ich meine Identität garantiert beweisen.Die Post dauert sehr lange, Hin und Rück um die 14 Tage. Damals war ich 20 Jahre und war im Westen noch nicht Volljährig. Wurde das erst im Nov.1970. In der DDR war man zu dieser Zeit mit 18 Jahren Volljährig. Im Westen begann die Volljährigkeit mit 18 Jahren erst im Jahr 1975 .Somit hatte ich im Westen staatliche Jugendschutzunterstützung. Nach einigen Monaten bekam ich eine Musterungsbescheid von der Bundeswehr. Ich meldete mich dort mit meinen Flüchtlings-Unterlagen und wurde somit ausgemustert.
Dann meldete sich auch "Die Deutsche Gesellschaft für Sozialbeziehungen eV. mit Sitz in Bonn. Diese war Zuständig nur für geflüchtete Grenzsoldaten. In jeder größeren Stadt war jemand zu ständig für persönliche Beratungsgespräche im Betreff der Wohnungs und Arbeitssuche-Ausbildung, also man hatte eine Telefonnummer und konnte jeder Zeit anrufen für ein Treffen in der Stadt , es gab kein Büro.
Auch man am Ende jedes Jahres wurde man mit einem Rundschreiben über Situationen mit der DDR informiert , vorallem mit Reisewarnungen über die Transitstrecken. Das waren ehrenamtliche Mitarbeiter in Pension.
Der gewünschte Kontakt blieb bis zur Wende 1989. Also man hatte schon Pluspunkte als ehemaliger DDR Fahnenflüchtling. Diese Organisation war aus meiner Sicht, lobenswert. Den DDR Organen war diese Unterstützungsgesellschaft bekannt und dem entsprechend verflucht.
Nach 2 Jahre wohnen und arbeiten in Freiburg im Breisgau und Hamburg, wohne ich seit 1974 in Berlin-Charlottenburg. Und seit 1985 durfte ich die Transitstrecken ins Bundesgebiet mit dem Auto und Zug benutzen. Diese schriftliche Bestätigung bekam ich persönlich in meine Hände von dem Berliner Senat für Innere Reiseangelegenheiten .Zu meiner Sicherheit hatte ich diese Bestätigung meinem Hausmeister gegeben, als ich das erste Mal die Transitautobahn im Bus benutze, wegen einem Kuraufenthalt in Süddeutschland.
Großen Bammel hatte ich bei der ersten Grenzkontrolle Durchreise bei Hin und Rück, und am Autobahn-Rastplatz. Damals gab es ein Extra Rastplatz nur für Transitbusse.Aber es verlief alles gut.
Das verbleiben mit den 3 Kindern im Notaufnahmelager blieb bis jetzt ein Rätsel. Die müssten in der heutigen Zeit um die 60 Jahre sein.
Mit Denen und dem Fahrer von dem BGS würde ich gerne persönlichen Kontakt aufnehmen

TEIL 3 = DIE STASI überbrachte die FLUCHTNACHRICHT meinen ELTERN

Meine Mutter erzählte mir davon 1985 ,als sie mit 63 Jahren mich besuchen durfte als Rentnerin.
Das erste Wiedersehen nach 15 Jahren.
Sie erwähnte die Nachrichtüberbringung nie in einem Brief an mir, da sie wusste das ihre Briefe kontrolliert wurden.
--Eine Frau und ein Mann in Zivil klingelten sehr früh am Morgen und die männliche Person stellte meine Eltern über alles Mögliche Fragen. Die weibliche Person tippte alles in die Schreibmaschine. Und Beide rauchten eine Zigarette nach der Anderen. Für meine Nichtraucher Eltern war das ziemlich unerträglich. Und die Schocknachricht dazu, das war alles schwer zu verkraften.
Aber meinen Eltern passierte in der späteren Zeit nichts. Es blieb bei dieser Befragung im Nov.1969.

TElL 4 = SCHICKSALS-SCHMERZ

Im Juli 1972 ist mein Vater im Alter von 48 Jahren an einem Herzinfakt gestorben. Diese Nachricht schrieb mir meine Mutter erst ein paar Monate später aus Angst damit ich nicht Gedankenlos in die DDR zur Bestattung einreise. ( Ich hätte das nie gemacht , das fand ich aber ok von meiner Mutter )

Übrigens hatte ich mal aus Neugierde einen Einreiseantrag Ende der Siebziger Jahre gestellt und bekam diese schriftliche Antwort vom DDR Ministerium für Inneres :

Sehr geehrter Herr ....
Ihre Einreise in die DDR konnte nicht berücksichtigt werden.
Hochachtungsvoll
Unterschrift....

So eine freundliche Absage hatte ich nicht erwartet. Naja ohne Grundangabe war das schon.Aber die kann ich mir denken.
Sie hätten mich ja auch einreisen lassen und dann verhören können. Aber das muss man lassen, die zuständigen Stellen hatten sich an die Gesetze gehalten.
1974 gab es eine Amnestie, wo ich aus der DDR Bürgerschaft entlassen wurde.
Das Einreiseverbot hatte ich bis zum Untergang der DDR.

Mein Vater schrieb mir damals im ersten Brief : Soviel Mut habe ich Dir nicht zu getraut.

Es gab auch in den Briefen nie die Frage, warum ich mich zur Flucht entschlossen habe.
Das Thema war für meine Eltern bewusst ein Tabu.
Denn wäre das so und ich hätte geantwortet mit allen Gründen und der Brief wäre in eine
Kontrolle gekommen, dann könnte das als Staatshetze ausgelegt worden sein und meine Eltern wären unter Beobachtungsdruck geraten.

Ende von meinem Bericht

S. Richter / Zeitzeuge1969

#2 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von DoreHolm 22.02.2014 16:12

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Danke für Deinen ausführlichen Bericht. Das das damals so relativ einfach klappte, kann ich mir vorstellen. Meine Grenzerzeit war 67/68 und unsere GK lag in einer Holzbaracke auch ca. gut einen halben Kilometer von dem löcherigen Stacheldraht weg. Dazu noch gab es bei uns (Westberlin) keine Minen und keine Reglemtierung in dieser Art für den Ausgang.
Was aus den Kindern geworden ist, würde mich auch interessieren. Bis zu einem bestimmten Alter wurden sie ganz sicher zurückgeschickt, aber wo war diese Grenze des Alters, ab wann sie frei entscheiden konnten, in ein westdeutsches Heim bzw zu Verwandten zu kommen oder zurück zu den Eltern geschickt zu werden ?

#3 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von coldwarrior67 26.02.2014 22:06

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Einfach Unglaublich diese Fluchtgeschichten. Ich lese ja seit einiger Zeit hier im Forum, weil mich das einfach interessiert.Hab die Grenze nie richtig Orginal gesehn.Deshalb sind für mich die Fluchtgeschichten als auch die Erlebnisse der Grenzer so interessant.Das Forum ist für mich wie ein Stück Zeitgeschichte, und man sollte diese Zeit niemals vergessen.

#4 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Pitti53 26.02.2014 22:37

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Und warum stellt er das nicht selber ein und braucht dich als `Boten?

#5 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Zeitzeuge1969 28.02.2014 23:14

Zitat von Pitti53 im Beitrag #4
Und warum stellt er das nicht selber ein und braucht dich als `Boten?


Hallo Pitt53,
das möchte ich Dir hiermit persönlich gerne beantworten.
Ich begann meinen Bericht zu schreiben im Oktober 2012 als Teil 1 und hatte darunter Teil 2 für später angekündigt und diesen Bericht ungünstig in ein Themengebiet eingestellt .
Der ek40 hatte meinen Teil 1 Bericht gelesen und mich darauf aufmerksam gemacht, den hier ein zustellen. Teil 1 ist leider in den vielen Berichten unter gegangen oder durch technische Umstellung durch Angelo verloren gegangen.
Nun hatte ich Teil 2 zu schreiben vernachlässigt und wegen viele Anfragen habe ich endlich im Feb. 2014 diesen Teil 2 fertig geschrieben, also mir die Mühe gemacht , mich in diese alte Zeit mal wieder zu versetzen. In meinem Blog schlummerte nun der ganze Teil 1 und 2 Bericht fertig geschrieben und ich benachrichtigte ek40 , wie und wo ich meinen Bericht einstellen kann. Er übernahm das gerne für mich, somit wird auch auf seine interessanten Beiträge hingewiesen.

VG
Zeitzeuge69

#6 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Gert 28.02.2014 23:50

@Zeitzeuge1969
danke für den interessanten Bericht. Das was du nach der Flucht erlebt hast lief bei mir in ähnlicher Form ab incl. Betreuung durch die deutsche Gesellschaft für soziale Bez.. . die waren wirklich sehr nett und haben vor allen Gefahren gewarnt, die evtll. duch Kontakt mit DDR Behörden entstehen können. Auch praktische Lebenshilfe und Tips im Umgang mit Behörden wurden gemacht. Man fühlte sich dadurch im Anfang nicht so allein gelassen. Siehst du das auch so ?

Gruß Gert

#7 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Gert 28.02.2014 23:53

Zitat von DoreHolm im Beitrag #2
Danke für Deinen ausführlichen Bericht. Das das damals so relativ einfach klappte, kann ich mir vorstellen. Meine Grenzerzeit war 67/68 und unsere GK lag in einer Holzbaracke auch ca. gut einen halben Kilometer von dem löcherigen Stacheldraht weg. Dazu noch gab es bei uns (Westberlin) keine Minen und keine Reglemtierung in dieser Art für den Ausgang.
Was aus den Kindern geworden ist, würde mich auch interessieren. Bis zu einem bestimmten Alter wurden sie ganz sicher zurückgeschickt, aber wo war diese Grenze des Alters, ab wann sie frei entscheiden konnten, in ein westdeutsches Heim bzw zu Verwandten zu kommen oder zurück zu den Eltern geschickt zu werden ?



soweit ich mich erinnere, wurden Jugendliche unter 16 Jahren zurückgeschickt, wenn die Eltern in der DDR sie anforderten. In Giessen habe ich keine solchen jungen Menschen getroffen.

#8 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von eisenringtheo 01.03.2014 14:23

Zitat von ek40 im Beitrag #1
(...)
Dann meldete sich auch "Die Deutsche Gesellschaft für Sozialbeziehungen eV. mit Sitz in Bonn. Diese war Zuständig nur für geflüchtete Grenzsoldaten. In jeder größeren Stadt war jemand zu ständig für persönliche Beratungsgespräche im Betreff der Wohnungs und Arbeitssuche-Ausbildung, also man hatte eine Telefonnummer und konnte jeder Zeit anrufen für ein Treffen in der Stadt , es gab kein Büro.
Auch man am Ende jedes Jahres wurde man mit einem Rundschreiben über Situationen mit der DDR informiert , vorallem mit Reisewarnungen über die Transitstrecken. Das waren ehrenamtliche Mitarbeiter in Pension.
Der gewünschte Kontakt blieb bis zur Wende 1989. Also man hatte schon Pluspunkte als ehemaliger DDR Fahnenflüchtling. Diese Organisation war aus meiner Sicht, lobenswert. Den DDR Organen war diese Unterstützungsgesellschaft bekannt und dem entsprechend verflucht.
(...)
S. Richter / Zeitzeuge1969


Keine Wunder: Diese Gesellschaft gehörte zur "Psychologischen Kampfführung der Bundeswehr", eine Diensstelle der Bundeswehr.
http://ubm.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2006/981/pdf/diss.pdf
Kapitel 7.1 Seite 245 (pdf Nummerierung S. 260)
Theo

#9 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Wahlhausener 01.03.2014 15:03

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Zitat von eisenringtheo im Beitrag #8
Zitat von ek40 im Beitrag #1
(...)
Dann meldete sich auch "Die Deutsche Gesellschaft für Sozialbeziehungen eV. mit Sitz in Bonn. Diese war Zuständig nur für geflüchtete Grenzsoldaten. In jeder größeren Stadt war jemand zu ständig für persönliche Beratungsgespräche im Betreff der Wohnungs und Arbeitssuche-Ausbildung, also man hatte eine Telefonnummer und konnte jeder Zeit anrufen für ein Treffen in der Stadt , es gab kein Büro.
Auch man am Ende jedes Jahres wurde man mit einem Rundschreiben über Situationen mit der DDR informiert , vorallem mit Reisewarnungen über die Transitstrecken. Das waren ehrenamtliche Mitarbeiter in Pension.
Der gewünschte Kontakt blieb bis zur Wende 1989. Also man hatte schon Pluspunkte als ehemaliger DDR Fahnenflüchtling. Diese Organisation war aus meiner Sicht, lobenswert. Den DDR Organen war diese Unterstützungsgesellschaft bekannt und dem entsprechend verflucht.
(...)
S. Richter / Zeitzeuge1969


Keine Wunder: Diese Gesellschaft gehörte zur "Psychologischen Kampfführung der Bundeswehr", eine Diensstelle der Bundeswehr.
http://ubm.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2006/981/pdf/diss.pdf
Kapitel 7.1 Seite 245 (pdf Nummerierung S. 260)
Theo

. Da haben sie leichtes Spiel.

#10 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Harzwanderer 01.03.2014 15:32

Man sollte hier möglichst nicht persönlich beleidigend werden. Bei einem Meinungsaustausch darf es doch wohl unterschiedliche Meinungen geben? Er lebt davon!

Was meint Ihr wohl, welche DDR-Organe Bundeswehr-Überläufer umgekehrt "liebevoll" aufgenommen hätten? Jedenfalls nicht das Rote Kreuz. (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14317108.html)

#11 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Marder 01.03.2014 18:11

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Zitat von Wahlhausener im Beitrag #9
Zitat von eisenringtheo im Beitrag #8
[quote=ek40|p334689](...)
Dann meldete sich auch "Die Deutsche Gesellschaft für Sozialbeziehungen eV. mit Sitz in Bonn. Diese war Zuständig nur für geflüchtete Grenzsoldaten.
Theo

. Da haben sie leichtes Spiel.

Hallo
ich finde diese Äusserung mehr als Anmaßend
Da sind doch Forenregeln mehr als verletzt.
Gerade Pittii oder ein anderer Admin sollte da tätig werden ohne das ich das melde.
Mit freundlichen Grüßen Marder.

#12 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von schnatterinchen 01.03.2014 18:12

Ausgerechnet von Pitti da was zu erwarten, da muß ich wirklich lachen.

#13 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Marder 01.03.2014 18:14

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Da könnte er sich aber mal aber positionieren um allgemein anerkannt zu werden.!!

#14 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von schnatterinchen 01.03.2014 18:18

Ja könnte er.
Du verkennst den im Osten verschärft geführten Klassenkampf. Das wirkt bis heute nach.

#15 RE: Meine Fahnenflucht im Harzvorland am 14.November 1969 von Marder 01.03.2014 18:22

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Nee ich geb die Hoffnung nie auf.
Mit freundlichen Grüßen Marder

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